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Melancholy rooms, Thalia

Blick ins Versuchslabor


Sechs kleine Kabinen drehen sich auf der Bühne. Wie in einem Versuchslabor haust in jeder von ihnen ein einzelner Mensch, völlig getrennt von den anderen, ganz auf sich alleine gestellt und dennoch voller Sehnsucht nach Kontakt. Was haben diese Menschen miteinander zu tun? Sie agieren in ihrem kleinen begrenzten Feld und sind ganz auf sich selbst zurückgeworfen. Sie kämpfen gegen das Sterben, für das Menschenrecht zu leben, gegen den mit jedem Atemzug näher rückenden Tod. Und doch können sie ihre verbleibende Zeit nicht richtig ausnutzen, da sie in ihrer kleinen Tretmühle gefangen sind, die nicht nur räumlich die Begrenzung überdeutlich werden lässt.

Da ist die junge Opernsängerin, die in der nächsten Umdrehung zu einer alten geworden ist, die sich ihre Kostüm nur noch anzieht, um in der Erinnerung zu schwelgen. Da ist die Museumswärterin, die vor einem Bild sitzt, das die intime Berührung zwischen zwei Liebenden zeigt und erst in dem Anfassen seiner Oberfläche sich ihre eigene Begierden eingesteht. Da ist der Geschäftsmann, der in seinem Umkleidezimmer zwischen all seinen Anzügen und Krawatten seiner Vorliebe für die Verkleidung als Frau nachgeht. Da ist der Krankenpfleger, der abends erschöpft nach Hause kommt und auf den niemand sonst wartet als seine Haustierspinne und die Pornos auf seinem Laptop. Da ist der Musiker, den das Schicksal direkt von seiner Hochzeit in die Notaufnahme verschlagen hat, weil seine Braut einen Unfall hatte. Da ist der Wissenschaftler, der an einem Affen zeigen will, wie sehr Musik die Stimmung beeinflussen kann.

Der junge Regisseur Jakab Tarnóczi erzählt in seinem fast wortlosen Stück mit kleinen Szenen und viel Musik von der Verlorenheit, der Einsamkeit, dem Ausgeliefertsein und den unerfüllten Sehnsüchten lauter vereinzelter Menschen. Mit dem Ensemble des Budapester Katona József Theaters gelingt ihm ein Bilder-Kaleidoskop, das auf eine subtile Weise scheinbar ohne großen Aufwand, aber mit hoher Präzision der abgrundtiefen Melancholie des modernen Menschen Ausdruck verleiht. Langanhaltender Applaus für das Gastspiel aus Ungarn bei den Lessingtagen.

Birgit Schmalmack vom 13.2.23

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