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Mit großem Ernst blicken die Kinder ihre Betrachter:innen an. Sie scheinen über ein Wissen zu verfügen, dass denen, die ihrem Blick ausgeliefert sind, zu fehlen scheint. Vor grauem Hintergrund werden ihre minutenlangen Szenen, deren Statik nur von winzigen angedeuteten Bewegungen unterbrochen wird, zu eindrücklichen Auftritten mit großer Bedeutung. Sie strahlen eine Haltung aus, in der der Vorwurf liegt, dass genau diese ihren erwachsenen Zuschauer:innen abhanden gekommen sei. In "FUTURE DREAMS 2021" sind die Videosequenzen mit 42 Kindern aus Hamburg zu kleinen Kunstwerken im Stile der Renaissance-Malerei geworden. Die kunstvollen Kostümaccessoires wurden mit den Kindern zusammen erarbeitet, ebenso wie die dezenten kleinen Gesten, die jedes von ihnen ausführt. Durch die Kontrastierung ihrer Einzel-Videos mit Bildern von menschengemachten Katastrophen wird die Botschaft der Kinder ohne jede Worte überaus deutlich. Sie werden zu wortlosen Streitern ihres Recht auf eine lebenswerte Zukunft. Die klare Setzung der Künstlerin Barbara Schmidt Rohr in Zusammenarbeit mit dem Medienkünstler Daniel Hengst hebt die Arbeit mit den Kindern auf ein künstlerisches Niveau, das jede Unterteilung in Laien- oder Profitheater obsolet werden lässt.
Danach lädt Israel Akpan Sunday in sein privates Wohnzimmer ein. Viele Zimmerpflanzen aus seiner Wohnung hat er dafür auf dem Bühnenareal in der Halle des Kraftwerks verteilt. Wie auf einer privaten Jamsession darf man sich nun fühlen. Zusammen mit seinem Gitarristen und Drummer gibt Sunday in seiner neusten Arbeit Einblick in sein Gefühlleben. Er tut das mit allen künstlerischen Mitteln, die der Allroundkünstler zu bieten hat. Und das sind nicht zu wenige. Er singt, spielt Saxophon, schreibt, liest und tanzt. Doch zu welchem Mittel er auch greift, immer wird klar, worum es ihm geht. Der Zustand der Welt mit all seinen Kriegen, Fluchtbewegungen und Ungerechtigkeiten lässt ihn erzittern, aufschreien, aufspringen, aber auch aufstehen, um sie besser zu machen: Denn wenn er in seiner Arbeit fragt: "Who is responsible", dann gibt er auch gleich die Antwort: "WIR".
Die letzte Arbeit war zugleich der performative Höhepunkt dieses Festivaltages. »Lovesong« von Daniel Dominguez Teruel. Bei diesem Liebeslied geht es jedoch nicht um die Feier der trauten Zweisamkeit sondern um die Liebe der Deutschen zu ihrem Land, um ihr Liebeslied an ihre Nation, um die deutsche Nationalhymne. Doch er dekonstruiert diese Hyme nicht nur musikalisch mit einem Bläserensemble sondern rückt ihrem Pathos auch mit dem Symbol der deutschen Fahne auf die Pelle. Dazu hat er sich Unterstützung von einem professionellen Fahnenschwenker-Viererteam geholt. Schon die erste Szene, in der die besonders beeindruckende Frau unter ihnen eine riesige schwarz rot goldene Fahne knapp über die Köpfe der Zuschauer:innen wehen lässt, ist gänsehautreif. Und zwar in beider Hinsicht: Die Symbolik lässt gruseln und die Eleganz ergreift wider Willen. Dass die Fahnenschwenker nie zu einem bloßen Mittel für den Regisseur und Komponisten werden, dessen er sich bedient, liegt an seiner durchgehenden Wahrung der Doppelbödigkeit der Inszenierung. Teruel schafft es zugleich, die Bedeutung der Nationalhymne sehr ernsthaft zu untersuchen, ihren Willen zur ergreifenden Schönheit zu würdigen und dennoch nicht mit kritischen Untertönen zu sparen. Das ist hohe Kunst.
Statt einer tiefschürfend analysierenden Talkrunde zum Abschluss des Festivaltages versprach der letzte Programmpunkt Leichtigkeit. In »Hauptsache verliebt« plauderten die beiden Moderator:innen sich durch die Produktionen des Abends und luden sich den ein oder anderen Gast zu ein oder allerhöchstens zwei Fragen auf die Bühne. Statt kritischer Nachfragen wurde lieber viel Liebe ausgeschüttet, vom Publikum von tausenden von glitzernden Seifenbläschen garniert.
Birgit Schmalmack vom 14.8.21
Abbildung: Lovesong, Kraftwerk Bille -
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