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Tornado, Theaterdiscounter

Allein in der Kälte der Fakten


„Ich bin 36 Grad kalt“. Der Wissenschaftler (Florian Hertweck) ist in Ostsibirien unterwegs. Er untersucht die Auswirkungen der Klimaerwärmung im Packeis. Mitten in einer der unwirtlichsten Gegenden der Erde, in der es nur um das nackte Überleben geht, sammelt er Daten für die Politik. Doch eigentlich weiß er: Er kann so viele Vorträge halten, so viele Diagramme erstellen und so viele Studien veröffentlichen, er muss die Menschen berühren, um eine Veränderung zu bewirken. Wie gelingt das, wenn er als Wissenschaftler immer auf 36 Grad minus herab gekühlt ist. Vielleicht mit den Mitteln des Theaters?
Das fragt sich nicht nur der Wissenschaftler sondern auch Regisseur Tobias Rausch bei seinem Arbeit „Tornado“ am Theaterdiscounter. So stellt er in zwei Räumen fünf Zuschauer*innen jeweils einem Performer*in gegenüber. Im zweiten begegnet das Publikum einer Sturmjägerin ( Bettina Grahs), die dem Tornado hinterherfährt, um seine Auswirkungen zu studieren. Da sitzt sie in ihrem dicken Daunenmantel und harrt wie eine wartende Schildkröte in der Hitze auf den Moment, wo sie losfahren darf um dem Sturm direkt ins Auge zu blicken. Doch sie ist immer zu spät.
Im Theatersaal sind die Darsteller auf der Bühne Ventilatoren. Sie führen eine Choreographie zu den Erlebnissen während eines Schweizer Bergabsturzes und eine eskalierende Besetzung eines Bergtagebaus auf, von denen die beiden Performerinnen auf der Videoleinwand erzählen. Dann ergeht sich eine „Durchschnittsfrau“ in einer Selbstreflektion. „Bin ich etwa das Problem?“ Sie lässt zwar den Laptop ständig auf Standby, hat aber kein Auto und überlegt schließlich schon ganz auf das Fliegen zu verzichten.
Zum Schluss darf dem Sturm tatsächlich ins Auge blicken. Auf der Bühne erschaffen die Nebelmaschinen und die Ventilatoren einen eindrucksvollen Tornado.
Was könnte die Lösung angesichts der drohenden Zukunftsszenarien sein? Das kann dieser Abend auch nicht verraten. Die Abwesenheit von lebenden Menschen im letzten Raum konfrontiert mit einer Leere, die auf die eigenen Gedanken zurückwirft. So verlässt man das Theater mit drängenden Fragen: Wo liegt meine eigene Verantwortung? Was kann ich tun?
Birgit Schmalmack vom 15.9.20

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