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Vertreibung aus dem Paradies
Ausbrechen aus dem Netz der Fiktion der ewigen, einzigen, großen Liebe will er endlich. Entschlossen will er aussprechen, was er so lange in sich einschließen musste, um die große „Liebeslüge“ nicht zu stören. Doch jetzt will er sprechen. Die Frau soll zuhören. Bewegen werden sie sich beide nicht mehr, festgewurzelt auf ihren Standpunkten stehen sie an den weit entferntesten Punkten des weißen Vierecks in dem völlig schwarz-weißen Raum. Für Grautöne ist hier kein Platz mehr. Nur Schwarz- und Weißerzählungen sind tauglich für klare Entscheidungen. Die Zeit des Abwägens und Zauderns ist vorbei. So will der Mann nicht nur die Frau davon überzeugen, dass das Ende ihrer Liebe gekommen ist, sondern auch sich selbst. Fast eine Stunde muss sie zuhören, muss sich anhören, wie der Mann den Krieg ausruft und ihn in aller Brutalität und Offenheit beschreibt. Es wird ein Monolog der Abrechnung, der Rechtfertigung, der klaren Schuldzuschreibung. Er wirft ihr Verletzungen an den Kopf, die ihr fast die Standfestigkeit rauben.
Dann wechseln sie die Seiten und sie holt zum Gegenschlag aus. Findet sie zunächst nach all dem verbalen Gift, dass ihr Mann ihr eingeflößt hat, nur Obszönitäten in ihrer Syntax, beweist sie danach all die taktische Stärke, die ihr Mann ihr zuvor zuschrieb. Sie überlässt ihm gerne den rosa Sessel, den er forderte, aber sie behält dafür all die Bilder ihrer Beziehung im Kopf, die ihr von ihrer großen Liebe erzählen. Sie lässt sich vom dem Mann nicht ihre Wahrheit zerstören. Sie gönnt ihm keine Befriedigung durch ihre Erniedrigung. Sie malt ihm aus, welche Hölle er jetzt zu erwarten, nachdem er sie beide aus dem Paradies vertrieben hat. Wenn man den Mann am gegenüberliegenden Ende des Raumes wie ein Häufchen Elend in sich zusammengesunken sieht, weiß man, dass diese Worte ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Jens Harzer humpelt zum Schluss von der Bühne während Marina Galic aufrecht mit ihren Pumps davon stolziert.
Dieser intensive Abend analysiert, hinterfragt und bricht gekonnt Rollenzuschreibungen. Gerade in seiner formalen Zuspitzung durch die Konfrontation zweier Monologe liegt der Reiz, für den das Theater mit zwei so exzellenten Schauspielern den idealen Raum bieten kann. Autor und Regisseur in Personalunion Pascal Rambert gelingt das im Thalia in der Gaußstraße hervorragend. Der Kinderchor zum Seitenwechsel und das Aufsetzen des Federschmuckes zum Ende muteten dagegen als zu absichtsvolle, gewollt hintergründige Brechung an, die der Abend nicht gebraucht hat.
Birgit Schmalmack vom 2.5.14
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