Sie sind hier: Thalia Theater
Zurück zu: HH-Theater T-Z
Allgemein:
Melissa kriegt alles, DT
Against the record, HAU 1
Manifesto, Harake Dance company
Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Nachtkritik |
shz |
Abendblatt |
Welt |
Stecken geblieben in der Wiederholungsschleife
Für Regisseure bleibt nicht mehr viel zu tun in dem Theaterstück „Wir sind noch einmal davongekommen“. Der Autor Thornton Wilder hatte im Nachkriegsamerika ein Stück verfasst, das die Postmoderne vorwegnimmt. Immer wieder fallen die Schauspieler aus ihrer Rolle, kommentieren sich und den Theaterbetrieb selbst, werden die Zeiten wild gemixt, tauchen Figuren als Kommentare aus Vergangenheit oder Zukunft auf und machen die Geschehnisse auf der Bühne lächerlich. Doch Regisseur Marco Storman wollte sich mit dem Abspielen vom Blatt nicht zufrieden geben. Um dieses Stück noch weiter zu ironisieren, als es sich selbst schon zumutet, musste er allerdings sehr dick auftragen. So wurde dem Hamburger Publikum Hauptstadtfeeling verpasst. Die Theatersprache einer Volksbühne fand Eingang auf die Thalia-Bühne. Die Drehbühne bekam den gesammelten Trash aus fünf Jahrtausenden von der Eiszeit über die Steinzeit bis ins Jetzt vor sichtbarem Holzkulissen verpasst und der Text wurde zur Klamotte überdreht.
Storman passt sich der Vielfalt Thornton Wilders an, er ist ebenso wenig zimperlich beim Mix der Stilelemente wie der Autor: Diaprojektionen, Schattentheater, Videoeinspielungen, Feuersbrünste, Explosionen, Musicaleinlagen, Comedyelemente – er lässt nichts aus. Doch hätte er das Stück dieses Mal gegen den Strich bürsten wollen; er hätte es ernst nehmen müssen. So brennt er ein weitgehend sinnfreies Feuerwerk an Unterhaltungsideen ab, lässt sich die guten bis hervorragenden Thalia-Schauspieler abrackern und hinterlässt doch nur Langeweile. Denn die Botschaft war schon während der langatmigen Eröffnungsrede von Daniel Lommatzsch vor geschlossenem Vorhang klar: Die Menschheit befindet sich in einer Wiederholungsschleife. Das wiederum wiederholen dann auch beständig alle drei Szenen: die zu Beginn der Eiszeit, die zu Beginn der Sintflut und die nach Beendigung des Krieges: Der Prototyp der amerikanischen Familie in Gestalt der Sippschaft Antrobus (Matthias Leja, Victoria Trauttmansdorff, Christian Geiße, Sven Schelker) plus Dienstmädchen (Katharina Schmalenberg) lernt ebenso wenig dazu wie die Menschheit insgesamt. Stets werden die gleichen Fehler und Stereotypen wiederholt und dennoch überleben die Vier stellvertretend für den vermeintlichen „homo sapiens“.
Mit Bedauern erinnert man sich an die hervorragende, anregende Arbeit, die Storman im Thalia in Gaußstraße mit „Emilia Galotti“ gelungen war. Leider hatte er dem Stück von Thornton Wilder nichts Interessantes zu entlocken. So kann Intendant Lux sich zwar beruhigt mit einem „Ihr wolltet es so!“ zurücklehnen, denn die Stückauswahl geschah durch eine Abstimmung am Ende der letzten Spielzeit, aber es bleibt dennoch die unbeantwortete Frage nach dem geistigen und künstlerischen Mehrwert, wenn ein begabter, aber überforderter Newcomer-Regisseur zur Inszenierung eines Stückes überredet werden muss, das er sich selbst nicht ausgesucht hätte.
Birgit Schmalmack vom 25.2.13
Gehe zu: Leeres Theater Festzeitstory