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Rede mit mir
Drei Teile hat dieser Abend, der insgesamt über drei Stunden dauert. Drei Mal versuchen jeweils zwei Menschen miteinander ins Gespräch zu kommen. Einer fordert den anderen jeweils auf: Rede mit mir, erzähl mir, was dir wichtig ist. Im ersten Teil richtet diese Aufforderung die Ehefrau (Andrea Clausen ) an ihren Mann (Nicholas Ofczarek), der brav seinen Dienst seit zwanzig Jahren als kleiner Kriminaler für die Aufklärung von Todesfällen versieht. Er wäre gern derjenige, der alles im Griff hat. Er sähe sich gerne als unerschütterlichen starken Mann. Doch die Bilder in seinem Kopf haben sich selbstständig gemacht. Er kann ihre Eigendynamik nicht mehr stoppen. Sie fangen an seinen pragmatischen Verstand, der sich zur Not auch seiner Körperkraft bedient, außer Kraft zu setzen. Besonders die letzte Serie der Vergewaltigungen von jungen Mädchen, die er nicht aufklären konnte, setzt ihm zu. Seine Frau kann er davon nichts erzählen. Zu sehr hängt er an seinem Image, an dem er ihr gegenüber jahrelang gearbeitet hat.
Die zweite Szene zeigt ihn mit seinem Vorgesetzten (Roland Koch). Johnson hat den Verdächtigen der letzten Vergewaltigung so heftig beim Verhör unter Druck gesetzt, dass er an den Folgen gestorben ist. Sein Vorgesetzter fordert Johnson nun auf: Erzählen Sie ihre Geschichte. Doch Johnson kann auch ihm nicht seine wahren Gründe für sein heftiges Insistieren offen legen.
Erst im letzten Teil nach der Pause wird Johnson reden: mit dem Verdächtigen (August Diehl). Bei ihm hofft er auf Verständnis für die Bilder, Begierden und Wünsche, die seinen Verstand außer Kraft setzen und seinen Kopf in Beschlag nehmen.
Nur Johnson wird seine Geschichte erzählen. Die der anderen werden nicht offen gelegt. Selbst ob der Verdächtige der Vergewaltiger war, erfährt der Zuschauer nicht. Aber darum geht es auch gar nicht in dem Stück von John Hopkins in der Inszenierung von Andrea Breth am Burgtheater Wien. Das ist schade, denn auch diese Fragen beschäftigen den Zuschauer während der langen dreistündigen Aufführung, die sich sehr viel Zeit lässt, um Johnson seine Geschichte zu entlocken. Das ist leider nicht so spannend, wie es sein könnte, da sich gleich zu Beginn die Vermutung auftaucht, die zum Schluss bestätigt wird; er musste die Bilder in seinem Kopf stoppen, indem er den Verdächtigen erschlug. Ein wenig Straffung hätte dieser Stoff durchaus vertragen können.
Ansonsten war wenig auszusetzen: Das Bühnenbild von der kleinbürgerlichen Wohnzimmerpuppenstube des Ehepaars über das frisch sanierte Konferenzzimmer bis zum Baustelle, in der sich das Verhörzimmer befindet macht den Raum frei für Assoziationen. Doch dass Breth sich entschloss, die drastischen Verhörmethoden bis zum Knacken der gebrochenen Wirbelsäule zu inszenieren, machte ihn sogleich wieder zu. Das tolle Schauspielerensemble wurde mit jubelnden Applaus vom Hamburger Publikum bei ihrem Gastspiel anlässlich des Theaterfestivals bedacht.
Birgit Schmalmack vom 7.10.16
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