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Im Hospiz zur Abrissbirne
Im Hospiz, das kurz vor dem Abriss steht, hat sich Gratzke als letzter Patient in die dreckigen Laken niedergelegt. Von der strengen Schwester (Gala Othero Winter) mit dem angegrauten Mirelle-Mathieu-Pagenkopf betreut und mit Pillen und kleinen Pullen versorgt, hat sein letztes Stündchen geschlagen. Ab und zu wird ein Liedchen geträllert, ob und werden von draußen Pediga-Parolen durchs offene Fenster krakelt, ab und zu schiebt der Pfleger (Jens Rachut) grunzend und Keulen schwingend einen Toten ins Krematorium. Gratzke kann sich keinen Illusionen hingeben. Das ist kein Komfort-Programm, das er sich hier gebucht hat. Das braucht ihm die Schwester gar nicht erst verraten. Das ist auf den ersten Blick klar. Die Betonmauern haben schon bessere Zeiten gesehen. In den Wänden verstecken sich die Geister der Verstorbenen und geben die Töne von sich, denen die Schwester sehnsüchtig nachlauscht.
Etliche skurrile Gestalten hat Autor und Punkmusiker Jens Rachut hier für seine Todesgroteske versammelt. Der stumme Musiker im Schrank, der affenartige Steinzeit-Pfleger, die akkurate Schwester und der todessehnsüchtige, von Metastasen verseuchte Krebspatient Gratzke. Das ungelebte Leben vom Ende her denken. Das bestimmt Gratzkes letzte Stunde. Jörg Ostendorf gibt Gratzke genau den Sarkasmus, die Selbstironie und Verzweiflung und Larmoyanz, die dieses einstündige Horrorszenario erträglich macht. Die Vergeblichkeit, dieser Absurdität namens Leben einen Sinn zu verleihen, ist in jeder Bewegung Ostendorfs zu spüren. Man mag sich als Theaterzuschauer/In an ein anderes "Endspiel" erinnern. Doch während Beckett in seinem Endspiel mit Allegorien arbeitete, die weit über sich hinauswiesen, begnügt sich Rachut damit den Horror des Endes zu bebildern. Die sanften Töne, die der Punkrocker dabei anschlägt, trösten nur bedingt.
Birgit Schmalmack vom 5.12.19