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Bonbonbunter Totentanz
Don Giovannis (Wolfgang Koch) Villa gleicht einer riesigen Niki-Saint-Phalle-Figur. Der Eingang ist wie bei Original eine rote Vagina. Die Partygesellschaften, die Don Giovanni mit Vorliebe zu sich noch Hause bittet, sind bunt, laut und beschwipst. Denn in dieser Grundstimmung hat er leichteres Spiel im Umgarnen der Frauen, die er in seine rote Falle zieht.
Doch der Tod tanzt von Anfang an mit. Er ist weiblich und trägt zu seinem knochigen Kostüm einen riesigen rosa Hut. Er macht klar, dass Giovanni ein risikobehaftes Spiel mit den Gefühlen seiner Mitmenschen spielt. Das sieht dieser selbst ganz anders: Alles geschähe aus Liebe zu den Frauen. Wer nur einer treu bleibe, betrüge alle anderen.
Auf der bühnenhohen Statue eines Frauenaktes treibt Giovanni seine trickreichen Spiele mit den Frauen. Ein riesiger Totenschädel beleuchtet die Szene, in der Don Giovanni auf dem Friedhof den Tod zum Abendessen einlädt. Er will sich beweisen, dass er keine Furcht kennt.
Sein letztes Mahl nimmt er unter einem monströsen Krohnleuchter ein. Doch statt Kristall zieren diesen Knochen. Der Tod kommt zu Besuch. Ein letzter Tanz mit der Knochenfrau verschlingt den großen Verführer Don Giovanni.
Doris Dörrie veranstaltet einen faschingsbunten Totentanz. Sie schöpft dabei die Möglichkeiten der großen Bühne der Staatsoper in vollen Zügen aus. Alle ihre Bühnenausstattungen sind riesig und wechseln von Szene zu Szene.
Dörrie fiel es anscheinend schwer, die Figuren auf der Bühne ernst zu nehmen. Warum Don Giovanni auf die Frauen so attraktiv wirken soll, wird beim leicht bierbäuchigen Macho mit der Lockenmähne, die bereits Ansätze einer Glatze zeigt, nicht ganz deutlich. Doch die Frauen, die er um den Finger wickelt, wollen scheinbar die Täuschung. Während sie Giovanni begegnen, halten sie fest die Augen geschlossen und sind am Träumen, wie man in Großaufnahme auf der Videoleinwand sehen kann.
Dörrie ironisiert nicht nur Don Giovanni. Auch die betrogenen Frauen treten als Klischees auf. Donna Anna mit ihren schönen Arien um Ehre, Enthaltsamkeit und Trauer ist mit ihrem Verlobten stilgerecht in güldene Rokokokostüme gewandet. Melina dagegen tritt als Punkerin im Nina-Hagen-Verschnitt auf. Und die enttäuschte Donna Elvira als gestrenge Rächerin im hochgeknöpften Reiterkostüm mit Peitsche. Die Frauen kommen als eigensinnige und verführbare Persönlichkeiten daher. Zerlina hat in ihrer Ehe die Hosen an, ebenso so wie Donna Anna ihren Verlobten mit Strenge auf ehrenvollen Abstand hält und Elvira zettelt die großangelegte Racheaktion gegen Giovanni an. Einzig Giovanni durchbricht zeitweise die harte Schale der Frauen. Doch die Gerechtigkeit siegt zum Schluss: Der alles aussaugende, lebensgierige Egomane Giovanni wird mit dem Tode bestraft.
Am Ende sitzen die Frauen mit ihren Partnern alle nebeneinander in den Betten, in denen vorher der Seitensprung vollzogen wurde, und blicken nach dem Tod von Giovanni in ihre nun ereignisarme Zukunft.
Dörrie illustriert mit opulenter Faschingsausstattung, dass sie von hehrer Kunst nicht viel hält. Sie befindet, dass nur Spaß, Unterhaltung, Abwechselung und Witz die altbekannte Geschichte aufpeppen kann. Das macht sie konsequent und lustvoll. Soll man sie dafür kritisieren?
Birgit Schmalmack vom 19.10.11
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