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Der freundliche Verführer
Der schönste Film aller Zeiten sei Leni Riefenstahls legendärer NS-Propagandafilm „Triumph des Willens“ von 1935 gewesen. So erklärt der Moderator Anders Mossling gleich zu Beginn. Riefenstahl hätte für den Dokumentarfilm über den Nürnberger Parteitag 1934 erstmals Techniken benutzt, die ästhetisch neue Maßstäbe gesetzt hätten. Mit artifiziell aufgeladenen Filmbildern gedreht, mit dramatischer Musik unterlegt, mit kunstvoll geschnittenen Szenenmaterial angefüttert, erschuf Riefenstahl eine Filmästhetik, die es bisher so nicht gab und zum Vorbild für weitere Filmregisseure wurde.
Nun sei es an der Zeit dieser Ästhetik mit allen Sinnen neu nachzuspüren.
Daher wollte das Kopenhagener fix&foxy-Performance-Duo aus diesem Material einen Live-Bühnen-Film inszenieren. Mithilfe der Zuschauer drehen sie die Szenen des Filmes live nach und lassen so das Publikum Teil der Propagandamaschinerie der NS-Selbststilisierung werden. Anders Mossling führt als smarter Führer-Verschnitt durch den Abend. Er dirigiert die Zuschauer freundlich an ihre Statistenpositionen, übt mit ihnen Choreographien, animiert sie zum Jubeln und stellt sich ans Rednerpult, um Goebbels, Hess und Hitler himself zu Wort kommen zu lassen. Die Krawatte bleibt stets im Gürtel eingeschnürt und den Koppel einmal umgeschlagen. So lauschen die Zuschauer auf dem Nürnberger Parteitag den markigen Sprüchen der Parteigenossen, so klatschen sie auf Anforderung begeistert, so mimen sie die erwartungsvolle Masse, die Hitlers Eintreffen sehnsüchtig herbeisehnt. Hände werden entgegengestreckt, Blumensträuße überreicht und kleine Erntegeschenke gemacht. Wenn der freundliche Führer zum „High Five“ einlädt, strecken sie freudig ihren rechten Arm in die Luft. Auf der Leinwand sieht man kurz darauf eine nicht enden wollende Menge, die den Hitlergruß macht. Die Aufmärsche der Arbeiter zu Hitlers Ehren werden zu Knobelbecher knallenden Märschen mit hoch gereckten rechtem Arm. Fahnen werden geschwungen, Hitlers Hand wird ergriffen geschüttelt. All das wird dokumentarisch live von den dänischen Filmern festgehalten. „Seien Sie einfach Sie selbst“, hatte der freundliche Führer die Laiendarsteller in eigener Sache schließlich gleich zu Anfang betont doppeldeutig beruhigt.
In Kopenhagen konnte die Performance von des fix&foxy-Duos zu einem skurrilen Spiel um die Möglichkeiten der medialen Manipulation werden. In Deutschland hat so eine Einbindung des Publikums eine andere Wirkung. In einem Land, in dem der Film bis heute nur kommentiert aufgeführt werden darf, ist eine unbefangene distanzierte Analysehaltung nicht zu erwarten. So bildete sich bei der Voraufführung am Donnerstag im Thalia in der Gaußstraße schnell eine Gruppe des passiven Widerstandes, die sich nicht mehr einreihen mochte in die marschierenden und jubelnden Darsteller und sich lieber in die im Theater gewohnte Rolle des Zuschauers und Kommentators zurückzog. Jetzt nicht mehr durch das eigene Spiel abgelenkt, entfaltete die Erschaffung der suggestiven Filmbilder ein umso größeres Grauen. So leicht sollten die Deutschen wieder zum Mitmachen überreden zu sein? Für ein paar Filmselfies auf der großen Leinwand? Was zeigt unser Grauen angesichts solcher Bilder? Zeugt dies von gelungener Verarbeitung oder eher von verkrampftem Zwang zu Political Correctness?
Eines wurde allerdings bei all diesen Fragen am Rande des Geschehens klar: Das Performanceteam hatte sich diese Gedanken im Vorwege nicht gemacht. Über zweieinhalb Stunden wurde brav Szene für Szene abgedreht. Eine Brechung war nicht vorgesehen. Die kritische Haltung eines Teiles des deutschen Publikums störte nur und konnte von ihnen leider nicht zum weiteren Erkenntnisgewinn genutzt werden.
Birgit Schmalmack vom 9.2.15
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