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Meiner Liebe entkommst mit nicht!
Die Frauen darf man nicht verwöhnen, diesen Rat gibt Mariannes Vater ihrem Bräutigam Oskar (Peter Moltzen) mit auf den Weg. Dieser will alles richtig machen. Er liebt Marianne (Karin Wichmann). Ihm ist es unwichtig, dass sie ihm gegenüber keine großen Gefühle aufbringen kann. Lieben ist wichtiger als geliebt zu werden, meint er schlicht.
Meiner Liebe entkommst du nicht, sagt er zum Schuss zu Marianne. Er soll leider recht behalten. Sie wagte den Aufstand. Sie widersetzte sich ihrem vom Vater und Bräutigam vorgezeichneten Weg und flüchtete noch während ihrer Verlobungsfeier mit dem Halodri Alfred (Andreas Döhler), in dem sie ihren Retter erkennen wollte. Sie wird schwanger, eine Abtreibung schlägt fehl, das Kind wird zu Alfreds Mutter aufs Land gebracht, die Finanzen lassen keine andere Wahl. Die Streitigkeiten nehmen zu und Alfred lässt Marianne im Stich. Als sie ganz am Boden ist, steht Oskar wieder vor ihr. „Ich kann nicht mehr“, meint sie da. Ihre Widerstandskraft ist erlahmt. Sie setzt sich genau so eine quadratische Pappmaske auf, wie sie schon alle anderen tragen.
Michael Thalheimer liest die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Ödon von Harvath als die Geschichte einer zerbrechenden Frau, weil die Gesellschaft sie unbedingt in ihre vorgeformte Rolle einpressen will. Karin Wichmann ist die Idealbesetzung für diese Rolle. Sie spielt mit großer Vehemenz die Unbedarftheit dieser jungen Frau. Sie zeigt ihr großherziges Aufbegehren, ihren Mut, ihre Naivität, ihre Durchsetzungskraft, ihre immer kleiner werdenden Hoffnungsschimmer, ihre Wut, ihre Resignation und ihre unendlich große Trauer. Thalheimer zeigt einzig sie als gradlinigen Charakter, während er alle anderen als Karikaturen ihrer selbst auf die Bühne treten lässt. Alfred schlenkert stets machohaft über die Bühne, seine Ex-Freundin (Almut Zichler) Valerie tanzt lebensgierig und gewollt erotisch an die Rampe, der Rittmeister (Harald Baumgartner) spreizt geziert jede Geste, Oskar presst seine Worte Silbe für Silbe heraus. Der junge Student (Moritz Grove) marschiert sowohl mit seinem Körper wie mit seiner Stimme. Das ist alles wie bei Thalheimer gewohnt klar, sinnig und stringent. Es liegt auch an den hervorragenden Schauspieler, dass sie neben den karikierenden Zuschreibungen auch stets die tiefer liegenden Verletzungen und Sehnsüchte mitspielen können. Andrea Döhler deutet dann neben all seinem Männlichkeitsgehabe mit einem Flackern der Wimpern oder einem angedeuteten Lächeln an, wie sehr er sich wünschen würde, der Mann zu sein, den Marianne in ihm zu erkennen glaubte.
Kein Bühnenbild lenkt von der totalen Desillusionierung ab, die auf die grandiose Eröffnungsmusik, des Wiener Walzers von Johann Strauß "An der schönen blauen Donau" folgt: Die Bühne ist leer, bis auf einen langen Tisch und eine Hand voll Luftballons. Genau in dem Moment, als Marianne entblößt barbusig den Blicken der Barbesucher – darunter ihr Vater – als Nachtclubtänzerin preisgegeben ihre Runden dreht, setzt der Konfettiregen ein.
Birgit Schmalmack vom 6.4.13
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