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Ohnmacht
Das vereinigte Europa – ein Mythos, eine Illusion oder eine Realität? Ist Verständigung möglich? Die allseits bekannten Krisen werfen einige Fragen auf. Aufklärung tut not.
Detective Inspector Ignatius Stone (Nick Tennant) geht diesen Fragen in seinem Arbeitsbereich nach. Er ermittelt in einem Mordfall. Zunächst im bekannten Terrain mit seinem Kollegen Charlie Lee (Ferdy Roberts) in London. Der Kopf einer Frau ist gefunden worden: abgesägt und in den Fluss geworfen. Die Ermittlungen weisen ins Prostituierten- und Pornomileu und führen zunächst nach Deutschland und dann weiter nach Estland.
Simon Stephens Text erfordert eine Inszenierung in drei verschiedenen Sprachen. Übertitel stellen für die Zuschauer die durchgehende Verständigung sicher. Doch nicht für die Personen auf der Bühne. Dass der Inspektor sich weder in Deutschland noch in Estland ohne Übersetzer verständigen kann, wirft ihn ganz auf seinen Instinkt zurück, stürzt ihn in eine nie gekannte Einsamkeit und beraubt ihn seiner sonst gewohnten Sicherheit. So gerät Inspector Ignatius immer tiefer in den Sumpf der globalisierten Kriminalität.
Stephens Vorlage klingt nach Krimithriller. Das Zuhältermilieu bietet viele Zutaten, die zur Spannungssteigerung taugen: Sex, Crime, Macht und Geld. Regisseur Nübling bemüht sich die Handlung in einen Nebel der Zwielichtigkeiten zu hüllen. Zwischen die Szenen montiert er melancholisch hingehauchte Lovesongs, die von Liebessehnsüchten sprechen, die in diesem testosteronhaltigen Ambiente ansonsten negiert werden. Gleichzeitig führt Nübling mit sehr drastischen Mitteln vor, um was es geht. So wird der nackte Körper eines Mannes auf der Bühne zusammengenäht, als der Präparator Ignatius den Obduktionsbericht vorträgt. Als der Inspector später die Pornostudio aufsucht, entsteht in auf der Bühne ein Pornofilmset, in dem mit viel Gel, vorgeschnallten Riesenpenissen, Besenstielen und Baseballkeulen der Geschlechtsakt in Szene gesetzt wird. Die aggressive Stimmung zwischen den Männern zeigt Nübling durch Boxtrainingseinheiten. Ihre Haltung den Frauen gegenüber wird eine Maskierung mit Reh- und Wolfsköpfen deutlich gemacht.
Das ist von Nübling einerseits gnadenlos überzeichnet, aber andererseits in Zeitlupentempo, mit Weichzeichnerlicht und sehr ästhetischen Körpern stets geschickt an der Grenze zwischen Realität und Surrealität angesetzt.
Regisseur Nübling legte mit seiner Vernebelungsaktionen über den eher spannenden als gesellschaftskritischen Stoff eine weitere Ebene der Gefühle und Gedanken. Ohne sie wäre der Abend zwar spannend aber nach der Aufklärung des Krimifalles abgehakt gewesen. So aber gären wenigstens die Bilder des Abends noch nach. Aufklärung im Sinne Lessings kam an diesem Abend aber zu kurz. Dafür blieben die Ermittlungen und Erkenntnisse zu sehr an der detektivischen Oberfläche.
Birgit Schmalmack vom 21.1.12
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