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Generation 1993
"There is no limit", singen die jungen Schauspieler, die man als Zuschauer im Widerschein der grellen Neonröhren kaum erkennt. Sie sind die Generation 1993, die in einem Europa geboren worden sind, in dem alle Grenzen weggefallen zu sein schienen. Nach 1989 war die Utopie des Kommunismus untergegangen, die Bedrohung eines Krieges verschwunden, der Weltfrieden schien gekommen, einzig die Befriedigung der Wünsche der Menschen stand im Mittelpunkt.
Die jungen Leute schreien ihre Begeisterung für dieses Zeitalter des Ende der Geschichte heraus. Sie preisen die technischen Errungenschaften, die nun die Verbindung zwischen den einzelnen europäischen Ländern nur noch intensivieren werden, mit lauter Stimme. Der Ärmelkanal und der Eurotunnel sind zwei dieser herausragenden Projekte, die die Grenzen der Geographie aufheben sollen. Im Forschungsinstitut CERN scheinen sogar die Grenzen der Zeit in Frage gestellt zu werden. Grenzenlos sind die Möglichkeiten der Menschen in der Zukunft, wenn sie in Zeiten des Weltfriedens leben. Fortschritt scheint zum ersten Mal auch ohne Kriegsabsichten möglich zu sein.
Zu dieser fortschreitenden Technisierung passt perfekt der Musikstil, der in den Neunzigern die Partys durchfegt. Der Techno gibt auch den durchgehenden Soundtrack von "1993" vor. Wummernde Beats in hoher Lautstärke fahren mit Stroboskoplicht in die Knochen und in die Augen. Partyfeeling zu dauernder Textbeschallung aus dem Off. Denn Menschen sieht man hier nicht mehr.
Doch dann mischen neue Bilder und Gedanken in die Texte. Calais steht nicht nur für das Ende des Eurotunnel sondern auch für den Dschungel, das Flüchtlingscamp derjenigen, die ebenfalls nach Europa wollen, aber denen der Eintritt verwehrt wird. Das grenzenlose Europa schafft sich neue Grenzen, führt einen neuen Krieg, und zwar gegen die, die auch dazugehören wollen.
Unter den Bildern dieser neuen Grenze flackern kleine Lichter. Zigaretten werden angezündet. Langsam wird deutlich: Hier wird eine Party gefeiert. Erasmus lässt grüßen. Studenten aus ganz Europa kommen zusammen und feiern mit einer so überbordenden Gier nach Spaß, Aufregung, Sex und Berauschung, dass die Leerstellen der Generation 1993 offen zu Tage treten. Bis zum Schluss das grelle Licht angeht und eine die Pistole zieht.
Die französische Produktion von Aurélien Bellanger unter der Regie Julien Gosselin vom Théâtre National de Strasbourg ist ein aufrüttelndes Stück, das bewusst mit allen Mitteln des Theaters schocken will: Nebel, Licht, Lautstärke, Musik und Exzesse; alles wird eingesetzt, um die Zuschauer von den Sitzen zu reißen. Was bei dem Gastspiel anlässlich der Lessingtage auch geschah, denn viele verließen nach während der Vorstellung den Saal. Doch dieses Stück hat seine Berechtigung, weil es konkrete, direkte Fragen stellt und dazu sehr konsequent und ohne Kompromisse einzugehen zu unkonventionellen Theater-Mitteln greift. Solche Stücke gehören auf ein Festival wie die Lessingtage!
Birgit Schmalmack vom 25.1.18
Abbildung: 1993 - Foto: Jean-Louis Fernandez
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