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Der Wettkampf des Lebens
Willy Loman akzeptiert nur Erfolge. Er will ein Mann der Superlative im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein. Da er selbst stets nur in seiner Fantasie der tolle Businessman war, sollen wenigstens seine beiden Söhne das Ziel erreichen, dass er schon für sich selbst vorgesehen hatte. Besonders große Hoffnungen hat er in seinen Ältesten Biff gesetzt. War er nicht immer so beliebt? War er nicht der beste in seiner Footballmannschaft? Wenn dieser jetzt mit 34 Jahren immer noch weit hinter seinen Erwartungen zurückbleibe, könne es nur an seiner Trotzhaltung liegen, so die Interpretation des Vaters. Der jüngere Bruder Happy hat sich dagegen mit seiner Rolle in der dritten Reihe abgefunden und versucht ganz pragmatisch das Beste aus seinem Durchschnittsleben in seiner Kleinstadt zu machen. Gern stellt er sich zur Verfügung, um seinem Vater bei seiner Erfolgsshow mit ein paar fantastischen Aufhübschungen der Wahrheit zu helfen. Biff dagegen hasst es, dass sein Vater der Wahrheit nicht ins Auge blicken kann. Er kämpft ums Gesehen werden. Doch vergeblich, sein Vater hat keine mehr Kraft für die Wahrheit übrig, er muss ums Verrecken an der Illusion festhalten. Die Mutter weiß das und tut alles, um das Showgebäude aufrecht zu erhalten.
Sebastian Nübling hat einen vom desillusionierenden "Tod eines Handlungsreisenden" auf die Bühne des Thalia Theaters gebracht. Willy (Kristof Van Boven) ist bei Nübling von Anfang an ein gebrochener Mann. Mit verdrehten Füßen hockt er schon im ersten Bild auf dem einzigen Stuhl und schaut müde seinen Söhnen beim Tischtennisspielen zu. Ihn selber hat sein ständiges Sitzen im Auto jede Fitness geraubt. Die Tribünenreihen auf der Bühne bleiben meist leer. Statt mit dem jubelnden Zuschauer für die Loman-Brothers meist gähnende Leere auf den Plätzen. Diese führen die Loman-Show nur für sich selbst bzw. ihren Vater auf. Statt mit dem Football spielen die Lomans mit ganz kleinen Bällen: Sie mühen sich um Punkte an der Tischtennisplatte. Da nützt es auch nichts, dass Vater Loman extra eine Trainingsmaschine angeschafft hat, die die Bälle im Sekundentakt ausspuckt. So trifft sie am Schluss ihn mit ihrer Munition nur noch voll ins Auge.
Die Kraft einer Footballmannschaft existiert nur in seiner Fantasie. Als sie allerdings tatsächlich auf die Bühne stürmt, findet Willy Loman kurzfristig wieder zu alter Energie zurück. So klein und gekrümmt wie er mittlerweile ist, stellt er sich mitten unter sie und feuert sie mit immer neuen Kampfesrufen an. Auch für seine früheren Besuche bei seiner Geliebten findet Nübling ein besonderes Bild. Mit ein paar akrobatischen Griffen klettert dafür Alicia Aumüller an der Poolstange in der Mitte der Bühne in die Höhe und hängt sich in die Waagerechte, während Willy sich in Unterwäsche unter sie legt, die Stange als verlängertes Binde-Glied zwischen ihnen und dennoch weit unter ihr.
Während die Bühne neben den Tribünenreihen und der Stange in schwarzer Leere glänzt, buhlen die schreiend bunten Sportklamotten um Aufmerksamkeit um jeden Preis. Nach dem Motto "viel hilft viel" kombinieren sie in stilloser Markenvielfalt alles, was Farbe und Logo hat. Einzig Willy ist in ein beiges, farbloses Rentner-Einerlei gekleidet. Er ist bei Nübling kein Sympathieträger. Mitleid mag man mit diesem egomanischen, halsstarrigen Tyrannen kaum haben. Hier rücken eher die Familienmitglieder in den Fokus der Empathie. Wie Marina Galic sich in die Rolle der liebenden Ehefrau und dienenden Showassistentin ergibt und dennoch zu eigener Stärke findet, ist sehenswert. Wie der über und über tätowierte Sebastian Rudolph fast kindlich aufrichtig um die Wahrheit in seiner Vater-Sohn-Beziehung ringt, ist von doppelbödigem Tiefgang. Wie Rafael Stachowiak als liebenswerter Show-Spieler jede von ihm verlangte Rolle einnimmt, ob die als Bruder, Freund, Liebhaber, Sohn, Sportler oder Vermittler, zeugt von wendehalsbrecherischer Flexibilität.
Birgit Schmalmack vom 27.11.17
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