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In unterdrückte Gefühle und aufbrechende Affekte verstrickt
Das lange Zitat von Spinoza, das zu Beginn auf die Wand projiziert wird, macht den Unterschied zwischen Affekten und Gefühlen deutlich. Während erstere ungefiltert direkte Auswirkungen auf den Körper haben und zu Reaktionen führen, können zweite reflektiert werden. Doch auch Affekte sind nicht angeboren, sondern sie werden durch die gesellschaftlichen, historischen und politischen Umstände geprägt und sind demnach auch veränderbar. Doch Gefühle, die unterdrückt werden, können zu Affekten führen, wenn sie nicht bearbeitet werden. Das zeigt Stephan Kimmig in seiner Inszenierung von Phädra.
Die Wände sind hell und weiß. Doch der Raum bieten keinen Platz zum Ausruhen, keinen Schutz, keinen Halt. Wie kurze Halfpipes stoßen die Wände auf den Boden, der schmale Absatz ist eher eine Stolperkante als ein Ruhepol.
Hippolyt will sich auf keinen Fall der Schwachheiten der Liebe hingeben, weil er seinem Vater, der sich gerne als Frauenheld generiert, auf keinen Fall ähnlich werden will. Er entsagt der Liebe, weil er sich vor ihren Fängen schützen will. Doch gerade das macht ihn in Augen mancher Frauen besonders attraktiv, so auch in denen seiner Stiefmutter, die in heißer verbotener Liebe zu ihm entbrennt. Doch auch die Königstochter Aricia findet diesen spröden Mann äußerst interessant.
Wie diese Menschen sich in ihren unterdrückten, verborgenen und versteckten Gefühlen verstricken, zeigt das Stück von Jean Racine. Die Menschen lassen ihre Emotionen in den weißen Wänden ungeschönt offenbar werden. Die von Eifersucht wahnsinnig werdende Phädra wird sehr glaubhaft von Corinne Harfouch gespielt. Obwohl ihre Rolle mehr als eine Peinlichkeit bereithält, schafft sie es, der verzweifelten Frau Glaubwürdigkeit, Innigkeit und Würde zu belassen. Hippolyt wird souverän von Alexander Khuon gespielt; die echte Verzweiflung über seine Situation wird aber kaum nachfühlbar. Diese wird umso überzeugender von seiner Geliebten Aricia gespielt. Sie ist bei Linn Reusse eine gefühlsstarke, zupackende, Powerfrau. Kathleen Morgeneyer ist eine Beraterin der Königin, der man ihre Bereitschaft zu Opfern und zu Intrigen um Wohle des Staates, jederzeit abnimmt. Einzig die Rolle von Theseus bliebt weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Bernd Stempel als Gatte ist hier nur ein aalglatter Machtmensch, der zu keiner Reflektion fähig ist. Er zeigt eine zu eindimensionale Interpretation seiner Rolle, um sie wirklich interessant zu machen.
Dennoch überwiegen in der Inszenierung, die als Gastspiel des Deutschen Theaters in Hamburg gezeigt wurde, allemal die psychologisch, schauspielerisch und dramaturgisch spannenden Momente, um sie zu einem insgesamt sehenswerten Theaterabend zu machen.
Birgit Schmalmack vom 10.10.17
Abbildung: Phädra vom Deutschen Theater - Copyright: Arno Declair
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