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Allgemein:
Melissa kriegt alles, DT
Against the record, HAU 1
Manifesto, Harake Dance company
Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Fast zivilisiert
Der Bühnenkasten, der von drei Seiten von Zuschauern umgeben ist, hebt sich. Zwei Männer mit nacktem Oberkörper, die sich waschen, sind zu sehen. Ein Mann im Anzug umschreitet den Kasten und berichtet. Noch ist er ein neutraler Beobachter, doch später wird er ein Teil der Geschichte werden, von der er erzählt. Er sei Anwalt, mit italienischen Wurzeln, in Brooklyn beheimatet, wie die Dockarbeiter, die sich hier nach getaner Arbeit reinigen. Auch sie seien italienische Amerikaner und "fast zivilisiert". Der eine der Arbeiter, Eddie hat mit seiner Frau Beatrice seine Nichte Catherine groß gezogen, nachdem ihre Mutter gestorben ist. Eddie ist ein Mann mit starken Grundsätzen. Er hat seine Schwester am Sterbebett versprochen, sich um Catherine zu kümmern. Nun fürchtet er, dass Catherine nicht die Ziele erfüllen wird, die er für sie vorgesehen hat. Am Abend kommen zwei Cousins aus Italien, die sich als Illegale bei der kleinen Familie einquartieren. Catherine verliebt sich in einen von ihnen, den blonden Schönling Rodolpho, dem Eddie keine ernsthaften Absichten sondern nur die Jagd nach einem amerikanischen Pass zutraut. Beatrice unterstellt ihrem Mann stattdessen väterliche Eifersucht. Eddie sucht den Anwalt auf. Doch es gibt kein Gesetz gegen die Wünsche der Pflegetochter. Einzig die Ausländerbehörde könnte diese Verbindung verhindern. Doch Verrat von Familienangehörigen? Soll er die Nichte mit einem Nichtsnutz ziehen lassen? In welchem Fall verliert er mehr? Kann er sich auf die Sichtweisen der Frauen einlassen oder beharrt er auf seiner Haltung? Liebt er zu sehr? Darf er zum einzigen aufgeschriebenen Gesetz greifen, dessen er die Cousins bezichtigen kann, und damit ein ungeschriebenes Gesetz brechen?
Arthur Miller zeigt ein Drama in einem Einwanderermilieu, das zwischen den Rechtsauffassungen des alten und des neuen Heimatlandes gefangen ist. Regisseur Ivan van Hove macht es zu einer universellen Auseinandersetzung um den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Hove beobachtet in seinem Kammerspiel alle Charaktere sehr genau und analysiert fein die Beweggründe ihrer Handlungen. Ein wunderbarer Abend, der zeigte, warum es sich lohnt in Theater zu gehen. Hier beim Gastspiel des „Odéon – Théâtre de L’Europe“ stimmte alles: klares Bühnenbild, konzentrierte Regie, feine Figurenführung, hervorragende Ensembleleistung, exaktes Timing und sensible Bewegungschoreographie.
Birgit Schmalmack vom 12.6.17
Abbildung: Vu du pont, Theater der Welt - İThierry Depagne
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