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Die Wüste der Anderen
"Menschen- und Güterverkehr" steht in verwitterten Lettern auf dem Container (Bühne: Sophie Klenk-Wulff), durch dessen halb geschlossene Türen Licht scheint und Stimmen zu hören sind. Hier treffen zwei Menschen aufeinander, die mit ihrer Vergangenheit kämpfen. Daniel C. ist gerade aus dem Krieg in Afghanistan zurückgekehrt. Er ringt mit den Bildern der Erinnerung, die ihn aus heiterem Himmel überfallen. Die Frau, die sich Isabel H. nennt, ist ein Flüchtling. Aus den Bruchstücken, die sie von sich gibt, ist zu entnehmen, dass sie den Tod eines Kindes auf dem Gewissen hat. Daniel hat sie auf der Straße aufgesammelt und in seinem Auto mitgenommen. Einmal wollte er der Held sein, der wirklich helfen kann, was ihm im Einsatz verwehrt war. Doch dann erschießt er einfach den Polizisten, der sie kontrollieren wollte.
Jetzt sind beide auf der Flucht. Wer trägt die größere Bürde von beiden? Wer die größere Verletzung? Gezeichnet sind sie beide, das wird sichtbar, als sie die Anzugsjacken abstreifen. Sie sind beide Verletzte, die nun in ihrer Verzweiflung den Kampf gegeneinander antreten. Nur in der Konfrontation können sie kurzfristig von ihrer eigenen Wüste ablenken.
Sie sind sie beide Opfer und Ausgegrenzte. Der "geistig verwüstete Soldat" mit der Posttraumatischen Belastungsstörung, der im Außenland die potentiellen Flüchtlinge domestizieren sollte, trifft auf den "illegalen Flüchtlingskörper" in seinem Heimatland, in dem er nicht mehr zu Hause sein kann.
"Grenzen sind Sand im Zwischenmenschlichen", das zeigt dieses Stück auf erschreckende, berückende und berührende Weise. Intensive Gefühle entstehen in der etwas über eine Stunde dauernden Aufführung durch das intensive Kammerspiel von Pascal Houdus und Marie Jung, die in dem engen Container aufeinander losgehen und alle Gefühle schmerzlich bloßlegen. Ein beeindruckendes Stück von Thomas Köck, herausragend sensibel umgesetzt von Regisseurin Franziska Autzen.
Birgit Schmalmack vom 29.1.17
Abbildung: Isabelle H. - Krafft Angerer
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