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Sehr lebendig
Tote sollten sie ausgraben helfen, die Regiestudenten der Theaterakademie mit ihren Studienprojekt III. Doch tot sind weder die Stoffe, um die es ging, noch vergessen der Autor Heiner Müller. Das bewiesen auch die Arbeiten der Jungregisseure.
Dabei luden manche Werke von Heiner Müller nicht unbedingt zum spielerischen Umgang damit ein. Die "Hamletmaschine" ist eine große textliche Herausforderung. Sie hätte unter der Regie von Sophia Barthelmes ein wenig mehr spielerisches Leichtigkeit als Schmiermittel vertragen können. Ganz anders ging Lea Ralfs mit dem "Medeamaterial" um. Zusammen mit ihren drei souveränen Schauspielern nutzte sie es als große Anregungsmasse zum experimentellen Erkunden von Machtverhältnissen, Geschlechterbeziehungen und den Umgang mit den überkommenden Kulturgüter, um allesamt als Material für den großen Befreiungsschlag nutzen zu können.
Ähnlich bearbeiteten das Regie- und Dramaturgieteam Saskia Kaufmann und Raban Witt das Stück "Der Auftrag": als Aufforderung zum clownesken Spiel, diesmal um den Sinn und Unsinn einer Revolution der Arbeiter. Dass sie gleichzeitig auch noch zwei Wissenschaftler zu einem Vortrag über die Notwendigkeit einer revolutionären Haltung in der Gesellschaft auf die Bühne holten, setzte einen herausfordernden, sich performativ verweigernden Kontrapunkt in den Abend. Sie bewiesen damit, dass man selbst bei einem textlastigen Heiner Müller noch einen oben draufsetzen kann.
Moritz Bichl lässt in "Quartett" das Liebes-Machtspiel der beiden Egomanen Merteuil und Valmont von zwei Männern spielen, die ständig neue Haltungen einnehmen, damit in einer Distanz bleiben und sich überlegen und unangreifbar fühlen können. Das ging so weit, dass sie am zweiten Abend sogar die Rollen wechselten.
Es gab auch zwei Handlungsstücke in dem Heiner Müller-Repertoire: In "Zement" kommt ein Revolutionär nach überstandenem Kampf nach Hause zurück und findet alles verändert vor: Die Heimstatt der Arbeiter, die Zementfabrik, ist geschlossen und seine Frau ist plötzlich emanzipiert und unabhängig. Wie er mit dieser Situation umzugehen lernt, wird mit einem Bühnenbild aus Transportkästen und hervorragenden Schauspielern eindrucksvoll dargestellt. Immer wieder werden Räume, Wände und Mauern aufgebaut, um eingerissen, umgeworfen und wiedererrichtet zu werden. Die Arbeit an der Revolution hört nie auf, auch wenn Genossen den jeweiligen Zustand gerne einfrieren würden. Eine mitreißende Inszenierung von Greg Liakopoulos.
Auch die letzte Inszenierung des zweiten Blocks "Macbeth" unter Emilie Girardin überzeugte durch eine kluge, ausgefeilte Choreographie und ein wunderbar vielseitiges Bühnenbild. Kantenmodelle aus Stahl luden zum Aufsteigen, Herabstürzen, Herunterwerfen, Erklimmen und Fallenlassen ein. Den Schauspielern wurde große Beweglichkeit und Kraft abverlangt. Macbeths Kampf um die Macht, zu dem ihn seine Lady anspornt, wurde so zu einem spannenden Spiel mit den Fallhöhen.
Das verlängerte Pfingstwochenende gab einen Einblick in die Arbeit der Jungregisseure an der Theaterakademie: ein viel versprechender Jahrgang. Dem ein oder anderen Namen wird man sicher bald wieder begegnen.
Birgit Schmalmack vom 17.5.16
Abbildung: Tote Ausgraben, Theaterakademie - Foto: Daniel Schlegel