Möwe
Sind wir nicht alle ein wenig Kostja? fragen sich die Schauspieler bei Alice Buddeberg Möwe-Inszenierung auf Kampnagel. Wollen wir nicht alle als nächste Generation die Kunst und speziell das Theater ein wenig neu erfinden? Wollen wir nicht alle die Arbeit der vorherigen Generation nicht nur weiter entwickeln, sondern in Frage stellen oder gar revolutionieren? Und landen dann eventuell doch auf den Castings für die Daily Soaps?
Auf dem riesigen weißen Vorhang, der wie eine Rampe bis in den Bühnenhimmel führen könnte, reihen sich die sechs Darsteller der Möwe (Sophie Basse, Bernhard Dechant, Karin Enzler, Johanna Falckner, Kai Meyer, Mathis Schulze) auf ihren Campingstühlen auf. Immer gut betreut von einem pensionierten Psychologen, der etwas abseits bereit sitzt, um Trost zu spenden, wenn die Identitäts-Probleme zu groß werden.
Alice Buddeberg findet eine überaus spritzige, emotional explosive Form für die Generations- Liebes- und Identitätsprobleme in Künstlerkreisen. Kann die Pubertät schon in Durchschnittsfamilien für den ein oder anderen Konflikt sorgen, so führt sie bei diesen exzentrischen Persönlichkeiten, die in einem Fort um ihr Ego zu kreisen gewohnt sind, zu exzessiven Krisen. Weil der Schauspieler-Sohn und Möchtegern-Schriftsteller Kostja von seiner berühmten Mama nicht anerkannt wird und somit auch seine Angebetete Nina nicht im gewünschten Maße beeindrucken kann, greift er zum Gewehr. Doch nicht einmal hier ist ihm Erfolg beschieden.
Buddeweg hat sich ein tolles, temperamentvolles, spielfreudiges Ensemble für ihre Arbeit ausgesucht. Die Forderung nach größtmöglicher Authentizität, die die Schauspieler an sich formulieren, erfüllen sie in jeder Sekunde. Obwohl das Stück vielen der Zuschauer nicht unbekannt gewesen sein dürfte, sorgten Buddebergs Ideenvielfalt, ihr heutiger und persönlicher Blickwinkel und ihr Sinn für Überraschung- und Unterhaltungsmomente dafür, dass es bis zum Schluss spannend blieb.
Birgit Schmalmack vom 21.6.08