Den Deutschen die Arbeit wegnehmen

"Ich will den Deutschen die Arbeit wegnehmen.“ Das stellt die Performerin am Schluss aus dem Off fest. Da hat sie schon eine Stunde zusammen mit ihrem Teamkollegen Minh Duc Pham lang auf der Bühne die Aufräum- und Drecksarbeit erledigt. In der typischen Uniform von Reinigungskräften haben sie gewischt, geräumt und gestapelt. Nun sitzen sie auf ihrem Turm aus Monoblocks und spucken ihre Sonnenblumenkernschalen auf die weiße Fläche unter ihnen direkt vor das Publikum. Sie werden sie nicht mehr säubern. Soviel sei verraten. Denn die wahre Freiheit beginnt erst, wenn man nicht mehr arbeiten muss, wenn man vom Zwang zur Arbeit befreit ist.
Im Treppenhaus, das in die dritte Etage zur Bühne des HAU3 führt, waren Warnschilder aufgestellt: Vorsichtig rutschig! Gerade wurde noch einmal frisch gewischt. Auch der Geruch nach Reinigungsmitteln war noch zu vernehmen. Auf der Bühne sitzt schon einer der beiden Performer:innen und dreht lässig seinen Wischmop in der Hand. Als Nuray Demir dann mit dem Wischeimer und dem Scheuerlappen die Treppe herunterkommt, kann die Arbeit beginnen, für die das Gedicht „Ich bin Ausländer“ aus den Siebzigern den Tenor vorgibt. Aus dem ungeordneten Haufen der wie hingeworfenen scheinenden Monoblocs, die zu Beginn die Bühne bedeckten, haben sie mit klarem Ordnungsprinzip ein aufgeschichtetes Arrangement kreiert, das ein schönes, ornamentales Schattenmuster auf den Boden wirft. Ein Runde kollegiales Ausruhen mit Haarekämmen und Hände eincremen ist danach angesagt. Oder eine kleine Teepause mit Keksen.
Mit dem Versprechen Schönheit zu kreieren. Denn schließlich verheißen „We create beauty together“ die Stoffbanner, die sie auf der Bühne entrollt haben. In buddhistischer Manier ist darauf ein Kreis aus Gummihandschuhen mit den traditionellen, blauen Augen, die vor Unheil schützen sollen, auf Sonnenblumenkernhintergrund zu sehen. Mit psychodelisch angehauchter Lässigkeit sitzen sie jetzt auf ihrem eigenen Thron aus den Gastronomie-Stühlen, von dem sie auf alle herabblicken können. Doch da unten gibt es noch einiges zu tun. Also steigen sie wieder herab und stehen dann im Foyer, um jedem noch einmal eine Portion Rosenwasser mit auf den Heimweg zu geben.
Birgit Schmalmack vom 14.4.22




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