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Frau Roos, wie lange machen Sie das noch?
Zum Schluss hat auch Herr Trepper es verstanden: Die Erinnerungen sind es, die die Dinge wertvoll machen. Selbst die Schlager! Und er fängt an in Erinnerungen zu schwelgen. Er, der sich doch den ganzen Abend vehement dagegen gewehrt hat, so etwas wie eine Vergangenheit zu haben. Nein, Herr Trepper ist kein Freund des Schlager. Als kritischer aufgeklärter Zeitgenosse steht dem sinnfreien Gedudel kritisch gegenüber. Doch gegen das Ausschöpfen der leichten Muse für seine Zwecke, nämlich das Geldverdienen, hat er nichts. So hat er sich für diesen heutigen Abend als Pausenclown für Mary Ross verdingt. Seine Kritikfähigkeit demonstriert er darin, Mary als Überbleibsel aus der Bronzezeit, die schon für Neandertaler gesungen hätte, und jetzt zwischen ihren Auftritten immer wieder unters Sauerstoffzelt müsste, um den nächsten Song überhaupt zu überleben, zu karikieren. Es wird eine Zeitreise durch die Jahrzehnte des Schlagers. Material hat er dafür reichlich zusammengetragen. Aus allen Jahrzehnten tauchen die Erinnerungen an Schlager und ihren Interpreten auf, die er bei Bedarf auch gleich vorsingt. Während Lennon in den Sechzigern politische Haltungen in Songs goss, schwappte hierzulande die brave Schlagerseligkeit dahin. In den Siebzigern sorgten hier Minirock und Schulmädchenreport für Aufregung. Während andernorts gegen Vietnam protestiert wurde, rockten hier nur die Bay City Rollers. In den Achtzigen guckte man Dallas und Denver Clan, während Rex Gildo und Roland Kaiser zeigten, dass die Welt noch in Ordnung war. Derweil pries Dieter Thomas Heck statt Autos in seiner Hitparade sinnfreie Schlager zum Kauf an. In den Neunzigern kam „Irrenmusik“ direkt aus Ochzenzoll im Stile von „Die Wanne ist voll“ und feierte Erfolge. Trepper überbrückt die Zeit Marys Umkleidens aber auch gerne zum allseitigen Austeilen. Ob die T-Shirt-Träger in der ersten Reihe, die Pinneberger im Publikum, eventuelle Zwischenrufer oder die gesamte Schlagerbranche, alle kriegen ihr Fett weg. Erst wenn er den Hass der Zuschauer spüre, laufe er zu Höchstformen auf, so verrät er. Mary Roos dagegen glänzt mit souveränem Auftritt. Ob bei ihren Kostproben aus den vergangenen Jahrzehnten - wie „Liebeskummer lohnt sich nicht“, „Als die kleine Jane“ und „Bossa Nova“ - oder ihren neueren Songs wie „Aufrecht gehen“, „Unbemannt“ „Zu schön um wahr zu sein“ oder „Rücksicht“. An ihren gekonnten, feinsinnigen Interpretationen prallen die Mäkeleien und Provokationen eines Treppers ab. So muss selbst Trepper am Ende dieses Abends eine Erkenntnis eingestehen: Die Schönheit und der Wert von Musik erschließt sich nicht nur aus seinem verstandesmäßig Ertrag. Derweil trinkt er sich mit allerhand Jägermeister die Songs schön. Zur Zugabe ist auch er soweit: Zu „Le Champs Elysee“ tanzt er über die Bühne. Birgit Schmalmack vom 19.8.15
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