Apathisch für Anfänger, Schauspielhaus

Schwierige Suche nach der Wahrheit

Endlich Urlaub! Alles könnte so schön sein, wenn nur nicht die Stimme im Kopf (Sophia Vogel) wäre, die an die Ereignisse in den letzten Monaten erinnert. Der Ermittler (Hermann Book) wird die Fragen, für die er glaubte eine passable Antwort gefunden zu haben, einfach nicht los.
Also steigt er wieder ein in die Suche nach der Wahrheit. Doch der Fall ist kompliziert. Er beruht auf tatsächlichen Ereignisse im Schweden der nuller Jahre. Kinder von Asylsuchenden wurden von einer Apathie befallen. Sie aßen, tranken nicht mehr und blieben im Bett liegen. Die einen vermuteten ein posttraumatisches Stresssyndrom und die anderen Simulantentum bis zur absichtlichen Vergiftung durch die Eltern. Ein riesige Auftrittsfläche für politische Akteure jeder Couleur war bereitet und wurde genutzt.
Der schwedisch-tunesische Autor Jonas Hassen Khemiri hat aus dieser Gemengelage ein Stück geschrieben, dass die Vielschichtigkeit der Problematik plastisch vor Augen führt. Im Jungen Schauspielhaus hat Regisseurin Anne Bader daraus einen klugen, konzentrierten und schmucklosen Abend geschaffen. In gut einer Stunde beleuchtet er die einzelnen Aspekte der Diskussion in schnell ineinander geschnittenen Szenen. Das einzige Bühnenrequisit außer dem Klappstuhl für den Ermittler sind fahrbare Scheinwerfer, die die unterschiedlichen Aspekte der Problemlage in den Fokus rücken. So wird das Scheinwerferlicht auf die Politikerin (Christine Ochsenhofer) gerückt, die eine strikte Abschiebung der Familien fordert, um weitere Fälle des elterlichen Kindesmissbrauchs zu verhindern. Da wird die familiäre Situation dieser Politikerin beleuchtet, deren Kinder nicht wissen, wie sie die Position ihrer Mutter bewerten sollen. Da werden die psychologischen Gutachter, die Fallmanager der Asylbehörde, die Nachbarn, die Lehrer und die Freunde (Florence Adjidome, Philipp Kronenberg, Florens Schmidt) in den Blick genommen, um die Sachlage angemessen beurteilen zu können.
Doch am Ende steht Schweigen. Keiner will klare Position beziehen. So läuft der Ermittler verzweifelt durch den Bühnen- und Zuschauerraum: "Sag doch was!". Doch keiner antwortet und der Stimme in seinem Kopf rinnt das Blut aus dem Mund.
Eine durchdachte, fokussierte Inszenierung, die durch den ständig wechselnden Blick zur Diskussion auffordert.
Birgit Schmalmack vom 19.6.16



Zur Kritik von

godot-hamburg 
Abendblatt 
 



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