Alle Männer sind Gewalttäter

Wie wächst ein Junge auf, der in eine Umwelt von radikalen Feministinnnen hineingeboren wird? Garps Blick auf die Welt ist ein besonderer, denn er hat eine besondere Mutter. 1920 geboren wünscht sie sich eine Arbeit und ein Kind aber keinen Mann. Sie wird zu einer der ersten Feministinnen, dabei liegt ihr eigentlich zunächst nur jegliche sexuelle Lust fern. Gerade deswegen aber wird die Begierde, die Wolllust und die Gewalt, die von ihnen ausgelöst wird, sie ein Leben lang beschäftigen. In ihr Haus werden all die gestrandeten Frauen kommen, die der Gewalt der Männer entfliehen wollen. „Alle Männer sind Gewalttäter“, ist ihre Auffassung.
Ihr Kind Garp entwickelt sich trotz dieser Einflussgrößen zu einem Mann. Er wird Schriftsteller, um einem Mädchen zu imponieren, dass er heiraten will. Zwar wird seine Novelle nicht so berühmt wie das autobiographische Werk seiner Mutter, aber erfüllt seinen Zweck: Helen wird seine Frau und er wird zu einem der ersten Hausmänner, während seine Frau ihre Unikarriere weiterverfolgt.
Garp begegnet in dem Haus seiner Mutter sehr vielen ungewöhnlichen Menschen: Frauen, die sich ihre Zunge abschneiden, um ihre Solidarität mit einem Vergewaltigungsopfer zu demonstrieren, Männer, die zu Frauen werden und ab da die Abscheulichkeiten der Männer am eigenen Leibe erleben müssen oder Frauen, die von Männern Gewalt erfahren und dennoch immer wieder zu ihm zurückkehren. Garp begegnet allen Erscheinungen des Leben mit Offenheit und Neugier. Die kluge Frau an seiner Seite, Helen, hilft ihm selbst die Erkenntnis zu verarbeiten, dass auch er nicht frei von den Gelüsten ist, die seine Mutter negiert.
Autor John Irving hat in seinem achthundertseitigen Kultroman Garps Lebensneugier und seine Bereitschaft sich allen Merkwürdigkeiten zu stellen mit großer verständnisvoller Sympathie für seine Hauptperson geschildert. Axel Schneider hat aus der umfangreichen Vorlage eine dreistündige Fassung gemacht, die sich auf die erzählbaren Handlungsstränge konzentriert. Regisseur Michael Bogdanov hat sie noch weiter auf Spielbarkeit getrimmt: Die Nebenfiguren werden durch ihre Kostümierung, ihre Sprachfehler und ihre Ticks zum Ausschlagen des Witzpotenzials genutzt. So funktioniert der Stoff zwar gut auf der Bühne, aber bleibt dadurch eher an der Oberfläche. Die Hintergründigkeit, die in Irvings Text in jeder Zeile mitschwingt, droht so leider im Lachen unterzugehen.
Birgit Schmalmack vom 20.10.15



Zur Kritik von

Abendblatt 
NDR 
 



Druckbare Version


Wie im Himmel, Altonaer Theater
Black Rider, Altonaer Theater