Am kürzeren Ende der Sonnenallee, Altonaer Th.
Pubertät am kürzeren Ende der Sonnenallee
Die Mauer ist nur ein Schriftzug auf einem Transparent. Auch der Westen ist nur ein Wort, doch vorne, da lebt der Osten live, in Farbe und in voller Aktion. Nicht im hippen Kreuzkölln wohnen Micha (toll: Jonas Anders), Wuschel (Mats Kampen ) und Mario (Tom Semmler) sondern am kürzeren Ende der Sonnenalle hinter der Mauer in Ostberlin. Hier ist es von außen betrachtet alles eher grau in grau, doch versuchen dennoch sie den Rock n Roll in ihr DDR-Leben zu bringen. Mit vollem Erfolg, wie die Inszenierung von Petter Dehler im Altonaer Theater beweist.
Wuschel, Mario und Micha sind mitten in ihrer Pubertät und für Politik haben sie beim Durchwurschteln und Arrangieren durch den Alltag keine Zeit. Schließlich Micha will die schöne Miriam (Stella Roberts ) erobern, Michas Mutter mit Solyanka-Kochen und Neuem-Deutschland-Abo den Stasi-Nachbarn beeindrucken, Michas Vater mal wieder eine „Eingabe“ machen, Wuschel unbedingt die neue Rolling-Stones-Platte auf dem Schwarzmarkt ergattern und Mario sich mit der extravaganten Existenzialistin (Jasmin Wagner ) vergnügen.
Lauter skurrile Figuren tauchen in der Szenerie auf der Bühne auf. Regisseur Peter Dehler hat sie in seine Inszenierung eingebaut, die eher ein Konzert mit Sprechszenen als ein Theaterstück ist. Der ABV, der Grenzpolizist, der Onkel aus dem Westen, selbst Stalin und Churchill haben einen kleinen Gastauftritt. Viel Spaß an der Übertreibung von Klischees merkt man der Aufführung an, doch die drei jugendlichen Hauptpersonen werden in ihren Nöten, Wünschen und Bedürfnissen genauso ernst genommen wie in den Vorlagen des Buches von Brussig und der Verfilmung von Leander Haußmann. Um die geschichtliche Genauigkeit oder Aufarbeitung geht es weniger als vielmehr um ein punktuelles Stimmungsbild. Dehlen lässt den gefühlten Soundtrack zum Lebens in der DDR spielen. So ist für viel Unterhaltung und Spaß gesorgt und zum Schluss rockt das ganze Haus stehend mit und die Stasi, die Überwachung, die Eintönigkeit, der Umgang mit Andersdenkender, die Abschottung und die Indoktrination sind in weite Ferne gerückt.
Birgit Schmalmack vom 26.9.16
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