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Die Gefahr der Wortfreiheit |
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Auch die Benutzung der Wörter wird von Big Brother überwacht. Denn wenn die Sprache erst von allen überflüssigen Wörtern bereinigt sein wird, werden sich auch die Gedanken ebenso schlicht formen lassen. Dann ist kein Gedanke mehr frei. Selbst ein Ministerium der Liebe gibt es in dem Überwachungsstaat von Big Brother. Auch hier geht es um die Ausmerzung, denn Liebe ist ein gefährliches Gefühl. Sie setzt im Menschen Kräfte und Begierden frei, an denen ein totalitärer Staat kein Interesse haben kann. Er propagiert lieber die Zweckehe zur Aufzucht von Neubürgern für das Vaterland. Die genaue Taktung des Tagesablaufes und ständige Versorgungsengpässe belassen die Bürger in einer Abhängigkeit vom Staat. Ein Krieg schweißt die Volksgemeinschaft zudem zusammen. All diese Lenkungsmittel hat George Orwell in seinem legendären Buch „1984“ zur Vision einer totalen Kontrolldiktatur zusammengefügt. Wie aktuell es ist, zeigt die Inszenierung im Globe Theatre im Rahmen seiner Reihe „Wortkunst“ sehr deutlich. In unserer weltweit vernetzten Internetwelt lassen sich die Visionen, die Orwell vor über 70 Jahren hatte, technisch sofort umsetzen. Deshalb tritt der Widerständler Winston (Uwe Neumann) immer wieder an die Rampe und richtet seine Monologe als Appelle an das Publikum. In kurzen prägnanten Szenen wird mit den nur zwei Darsteller:innen der Alltag unter Big Brother nachfühlbar. Mit dem Beginn der Liebe zwischen Julia (Anette Daugardt) und Winston gewinnt das Drama an Fahrt. diese Liebesgeschichte kann das Regime nicht dulden, weil sie in ihrem Kern umstürzlerisch ist. Diese Inszenierung punktet mit mit hervorragenden Schauspielern, die sowohl die Unterdrückung, die Anpassung, die Einrichtung, und den aufkeimenden Widerstandes mit allen Nuancen zu zeigen verstehen, mit einer geschickt gekürzten Textfassung, mit einer schlichten, aber effektiven Bühnenausstattung und mit dem Verzicht auf jede Bildsprache. Die Tagebucheinträge Winstons sprechen für sich. Zum Schluss sitzen Winston und Julia nebeneinander als durchweg geläuterte, völlig angepasste und um alle schädliche Gedanken bereinigte Untertanen nebeneinander. Jetzt können sie sich verabreden und wieder treffen. Von ihnen wird keine Gefahr mehr ausgehen.
Birgit Schmalmack vom 3.8.23
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1984, Globe Theatre Fotocredit: Norbert Lienig
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Phaidon, Globe Berlin Schuld und Sühne, Globe
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