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Lebenslustige und todessehnsüchtige Plauderstunde |
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Kann eine tief schürfende Unterhaltung über den Tod Vergnügen bereiten? Ja, sie kann, wenn im Globe Berlin zwischen den beiden Schauspielern Anselm Lipgens und Uwe Neumann stattfindet. Selbst wenn die beiden als Gesprächsgrundlage dafür einen jahrtausendalten Text von Platon benutzen, in dem die Hinrichtung von Sokrates am Ende steht.
Wie zwei Zuschauer auf der Suche nach einem Platz schlendern die Protagonisten zu Beginn in das Globe Rund. Und nehmen dann doch die zwei Stühle auf der Bühne. Scheinbar zwanglos plaudern sie zunächst unter dem sommerlichen Himmel Berlins, um dann unvermittelt bei dem Gegenteil von Leichtigkeit zu landen: bei dem unfreiwilligen Lebensende von Sokrates. Der missliebige Philosoph ist zum Tode verurteilt worden und heute ist der Tag der Vollstreckung gekommen. Dennoch ist er derjenige in dieser illustren Runde, der bei weitem die beste Laune hat.
Die zahlreichen weiteren Stühle am hinteren Rand stehen für all die Gefährten, die ihm in diesen letzten Stunden nahe sein wollen. Zwischen ihnen wechseln die beiden Darsteller, wenn sie lässig in die verschiedenen Rollen schlüpfen. Sie sind alle große Bewunderer des Denkers, dennoch wagen sie auch kritische Hinterfragungen, wenn Sokrates sie dazu herausfordert. Denn dann läuft er zu Höchstformen der verschlungenen Beweisführung auf, um seine Zuhörer von der Richtigkeit seiner Glaubensätze zu überzeugen. Er blickt auch deswegen seinem nahenden Ende so zuversichtlich entgegen, weil er zu wissen glaubt, dass alles in einem Kreislauf zusammenhängt. Alles entwickelt sich aus seinem Gegenteil heraus. Kleines wird zu Großem, Unwissendes zu Wissendem und eben das Lebende zu Sterbenden. Und umgekehrt. So werde auch aus dem Tod Leben erwachsen. Sokrates freut sich auf die Trennung seines Körper von seiner Seele, die er für unsterblich hält. Da haben manche seiner Bewunderer und Freunde noch gewisse Zweifel. Was wenn die Seele mit dem Körper verschwindet? Wie die Harmonie auch entschwindet, wenn die Leier zerstört wird? Doch die Beweisführung des Philosophen Sokrates ist wie stets so messerscharf, dass allen anderen die Argumente ausgehen. Umso mehr werden die Tränen fließen, als Sokrates am Ende zum Giftbecher greift. Sie wissen: Für diesen brillanten Kopf werden sie so schnell keinen Ersatz unter den jetzt Lebenden finden. Der Regisseur Michael Aichhorn macht mit seinen hervorragenden Schauspielern aus dem hoch philosophischen Text einen vergnüglichen Abend, der für seinen Unterhaltungswert dennoch keinen einzigen noch so verschlungenen Gedankengang aufgibt. Es ist eine Lust den beiden zu zuhören und zu sehen. Auch wenn auch in diesem Fall, wie Sokrates zuvor bewies, Lust und Schmerz zusammenhängt. Es ist das letzte Mal, dass dieser Abend auf dem Programm des Globe Berlin für diese Spielzeit stand.
Birgit Schmalmack vom 25.7.22
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Phaidon, globe Berlin Foto: Thorsten Wulff.
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Wie die Krähe fliegt, Globe Berlin 1984, Globe Theatre
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