Gier, Bunker

Gier, Bunker

Gefangen unter der Erde

Das Licht geht aus. Nur die Leuchtstreifen an den Wänden geben noch ein Restlicht ab. Einer läuft an die Tür. Sie ist verschlossen. Die Stimmung wird mulmig. Eine Luke nach oben öffnet sich. Etwas Licht fällt herunter und beleuchtet die vier Figuren, die sich an der gelben Notausgangsleiter versammelt haben. Gibt es ein Entkommen? Einer nach dem anderen klettert nach oben. Nur das Mädchen bleibt unten auf dem kalten Betonfußboden in ihrem dünnen Nachthemdchen hocken. Für sie gibt es nur Erlösung ohne dieses Leben da oben.
Sarah Kane schreib unter anderem ihr wortgewaltiges, bilderreiches Stück „Gier“, bevor sie sich selbst mit 28 Jahren das Leben nahm. Den perfekten Ort für diesen beklemmenden Text fand Regisseur Julius Jensen im Tiefbunker am Steintorwall. In den engen labyrinthartigen Gängen mit den dicht an dicht gepackten Klappstühlen und Liegen unter den niedrigen Decken stellt sich von alleine ein Gefühl der Beklemmung ein. Dieser Ort, der Sicherheit gewähren soll, symbolisiert gleichzeitig Eingesperrt- und Ausgeliefertsein.
Genau wie in dem Stück „Gier“, in dem vier Menschen vergeblich versuchen ihrer Einsamkeit zu entkommen. Sie gieren nach echten Beziehungen, nach wahrhaftigen Gefühlen, sind jedoch alle zu stark verletzt, um gegenseitige Nähe zulassen zu können. Immer wenn einer von ihnen eine Annäherung wagt, stößt ihn der andere zurück, aus Angst vor einer erneuten Verletzung. Einige Geschichten scheinen sich herauszukristallisieren: Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung haben ihnen tiefe Wunden zugefügt, die kein Versteichen der Zeit heilen kann. Das Vergessen bietet keine Chance auf einen Neuanfang.
Jensen fand neben dem perfekten Ort auch die perfekte Besetzung. Johannes Nehlsen mag die Hoffnung auf Liebe noch nicht aufgeben. Stephan Möller-Titel gibt den coolen Möchtegern-Aufreißer, den nichts mehr rühren, und Charlotte Pfeifer wünscht sich ein Kind, findet aber keinen Mann, dem sie über den Weg trauen kann. Nele-Frederike Maak sticht als unheilbar verletztes, still leidendes Mädchen heraus, die nichts mehr spürt, selbst die nasse durchdringende Kälte des Betonbodens unter ihren nackten Füßen nicht mehr. Die Luke knallt zu und ihr einziger Kommentar ist: „Frei und …glücklich.“
Birgit Schmalmack vom 19.7.15


Gier im Bunker by Georg Schmid

Zur Kritik von

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