Gleichmaß vernichtet die Zeit
Mit mehr Talent zum Kranksein als sein Cousin (Marcus Just), den Castorp (Guido Bayer) eigentlich nur für drei Wochen in seinem Schweizer Sanatorium besuchen wollte, verliert er sich in das Schattenreich der Liegekuren und Ereignislosigkeit. Castorp hatte in der realen Welt seine konkreten Ziele verloren und flüchtet sich in die ärztlich verschrieben Tatenlosigkeit. Wenn ein Tag wie alle Tage ist, sind alle wie einer. Das Gleichmaß vernichtet die Zeit. So wird er hier mit philosophischen Fragen konfrontiert, die ihm in der Welt der Ingeneure nicht begegnet sind. Gaby Schelle hat im Hamburger Sprechwerk eine szenische Installation eingerichtet, die den Zuschauer Castorps Ankommen am eigenen Leibe miterleben lässt. Erst langsam wird er in die Welt der Abgeschiedenheit und Langeweile hineingezogen. Doch wenn er sich wie Castorp auf die neue Erfahrung einzulassen versteht, kann sie ihre fast magische meditative Wirkung entfalten. Zum Schluss ist man angekommen in der Welt der Liegestühle und hat mitphilosophiert über die Zeit, Ziele, Tod und Leben. Und ist das Theater nicht ebenso eine Parallelwelt wie ein Sanatorium? Eine hoch professionelle Arbeit, die auch durch die geschmackvolle Schlichtheit der schwarz-weißen Bühne, die klare Choreographie der Darsteller und die gekonnte Streichung des Textes fasziniert. Der Zauberberg in eineinhalb Stunden: zum ersten Einfühlen gelungen. Birgit Schmalmack vom 20.9.13
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Der Zauberberg im Sprechwerk von der theater-factory
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