Selig sind die Toten
Das Foyer wird zum Bauch der Gefühle. Auf dem grünen Rasen unter der Betonkuppel werden die Zuschauer zum Teil des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms. Mitten zwischen den Zuschauer bewegen sich die Sänger des Rundfunkchores Berlin, fast unbemerkt in Alltagskleidung. Nur von zwei Klavieren begleitet machen sie den Gesang polyphon erlebbar. Bescheiden und zurückhaltend choreographiert wird Musik zur puren Emotion, die jeder Zuschauer auf seine Weise erleben darf. Er kann sich wie die Musiker frei bewegen und Teil ihrer Choreographie werden. Schaukeln werden von den Stahlbalken gelassen und die Sänger schwingen getröstet von dem Glauben hin und her. Getrieben von der aufwallenden Todesangst laufen sie auf der Suche nach einem Ruheort durch die Mengen. Auf der Treppe finden sie sich zusammen, um eine Gestorbene zur letzten Ruhe zu betten und sich gemeinsam der Gewissheit zu erfreuen, dass der Tod seinen Stachel verloren hat. Mal lagern sich die Zuschauer auf dem Boden, mal machen sie Platz für die prozessierenden Sänger und ganz zum Schluss dürfen sie sich in die Mitte des Foyers setzen und der Chor singt nur für sie: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben.“ Wie ferngesteuert wissen alle, was sie zu tun haben. Auch ohne klare Rahmen von Bühne, Rampe, Vorhang, Stuhlreihen oder Zuschauerraum entwickeln sich organisch immer neue Strukturen des Zusehens und Zuhörens. So wird die kluge Regiearbeit von Jochen Sandig zu einem Sinnbild des Werdens und Vergehens. Ein großes Erlebnis, das nicht durch das eindrucksvolle Hafenpanorama in Erinnerung bleiben wird. Hervorragend passt es in die halbfertige Baustelle: Alle Menschen kommen auf ihrem Lebensweg immer nur an vorläufige Stationen, bevor sie ihre letzte erreichen. Birgit Schmalmack vom 1.10.12
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Human Requiem Foto von Matthias Heyde
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