Stören, MGT

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Stören, MGT



Empört euch!

Eine Frau betritt die Bühne und kündigt an: "Eine Frau betritt die Bühne." Nacheinander kommen: eine Schüchterne in Latzhose, eine männlich Wirkende mit Kurzhaarschnitt, eine mit Kopftuch, eine mit brauner Hautfarbe. "Ich sagte doch, eine Frau betritt die Bühne", wehrt die erste ab. Sie zieht die blonde hübsche Langbeinige hinter der Bühne hervor. So hat eine Frau auszusehen. Doch wer bestimmt das? Das fragen sich die sechs jungen Frauen auf der Bühne. Legen sie selbst die Schönheitsideale fest? Wenn nicht, wieso beugen sie sich ihnen dann? Wie hängt das mit der ganz all-täglichen Anmache auf der Straße zusammen? Unterwerfen sich die Frauen auch dieser Machtausübung des vermeintlich starken Geschlechtes ohne große Gegenwehr? Machen den Mund nicht auf? Wehren sich nicht, lassen sich klein machen von der anerzogenen Angst?
Zum 16. Geburtstag bekam eine von ihnen einen teuren Alarmanhänger für ihr Schlüsselbund geschenkt und viele gute Ratschläge gratis: Pass gut auf, geh nicht alleine, hab deine Handy stets aufgeladen dabei, zieh keinen zu kurzen Rock an, achte auf deine Drinks... Am besten sollte sie gar nicht raus gehen. Schön zu Hause bleiben und sich hübsch machen.
Sie wollen sich nicht mehr unterdrücken lassen von den Vorsichtsmaßnahmen, die sie einengen in ihrer Bewegungsfreiheit. Nicht immer gleich zu denken: Ich selbst habe etwas falsch gemacht, wenn ein Mann übergriffig wird, das üben sie hier auf der Bühne im Maxim Gorki Theater unter der Anleitung von Suna Gürler. Ihre wieder entdeckte Wut verleiht ihnen ungeahnte Kräfte. Als einige von ihnen sich die Besserwisser-Brille aufsetzen und zu beschwichtigenden Reden ansetzen, werden sie von den anderen überwältigt und erstickt. Rein symbolisch, versteht sich!
Sie wollen etwas verändern. Sie fordern nichts weniger als eine Revolte der Empörung, nicht im Kleinen sondern im Großen. Ihre Wut über die Umstände ist ihnen Antrieb genug. So geht Selbstermächtigung, jedenfalls auf der Bühne. So geht politisches Theater, das mitreißt. Dass hier nicht-professionelle Schauspieler auf der Bühne stehen, merkt man in keiner Sekunde. Dies sind alles Profis in eigener Sache.
Birgit Schmalmack vom 21.10.16


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