Der Wert des Glücks
Ist Glück ein Zustand des Lebens, der anzustreben ist? Für Effi Briest ist das ebenso wenig eine Frage wie für die meisten Menschen, die gut hundert Jahre später leben. Als junges 17-jähriges Mädchen hüpft sie mit Springseil und in Ringel-T-Shirt auf die Bühne. Überglücklich schildert sie ihre Verlobung mit dem biederen, strengen Baron von Instetten (Robert Kuchenbuch). „Effi mit zwei f ehelicht Geert mit zwei e“, so kalauert die noch naive Effi. Effis Vater (Wilhelm Eilers) analysiert seine Tochter gekonnt: Er erkennt klar die Karriereambitionen aber auch die Unreife und überbrodelnde Lebenslust seiner Tochter, die sicher im einsamen Hinterpommern, in das sie nun ihrem Mann folgen muss, nicht genügend Nahrung finden wird. Von Effis Hochzeitsreise bleiben Postkartenansichten, die auf der Bühnerückwand eingeblendet werden. Das hinterpommersche „Spukhaus“, in das die beiden ziehen, wird illustriert mit einem projizierten Foto eines Geister-Zimmers mit ausgestopftem Krokodil und Haifisch. Effi ist oft alleine, fürchtet und langweilt sich. Abwechselung verspricht die Begegnung mit dem jungen Lebemann und Offizier Crampas (Paul Schröder). Bei ihm findet sie die den Spaß und die Aufregung, die ihr Mann ihr vorenthält, die sie aber dringend benötigt, um nicht gänzlich zu verkümmern. Effi und Crampas albern ausgelassen in den Mini-Dünen der mit Sand ausgestreuten Bühne auf ihren imaginierten Pferden herum. Sechs Jahre später sind die Eheleute längst in Berlin angekommen, Instetten hat wie gewünscht Karriere gemacht und Effi mit ihm den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft, da holt Effi die alte Geschichte ein. Instetten beugt sich den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und verstößt Effi, obwohl er sie laut seiner Aussage liebt und ihr wohl verzeihen könnte. Doch dass das Luxusgut „Glück immer an Zeit und Umstände geknüpft ist“, hatte er schon zu Beginn erkannt. Seine Ehre, Gradlinigkeit und Reputation sind allerdings unverzichtbar. Er nimmt mit deren Erhaltung in Kauf, dass nicht nur er sondern auch seine Tochter und Frau im Unglück leben müssen. Jorinde Dröse fokussiert in ihrer Inszenierung des Fontane Romans die Entwicklung einer jungen Frau, der von den strikten Rollen- und Ehrvorstellungen der Gesellschaft so enge Grenzen angelegt werden, das sie an ihnen zugrunde geht. Instettens und Effis Vater sehen sich in der unumstößlichen Pflicht Effi auszuschließen, weil diese gegen die gesellschaftlichen Regeln verstoßen hat. Auch ihre immer wieder betonte Liebe zu Effi hindert sie daran nicht. Anja Schneider zeigt Effi in ihrer Entwicklung vom unbedarften, verspielten Kind, über die lebenslustige Geliebte zur gebrochenen Depressiven. Kuchenbuch stellt Instetten als stolzen, patriachalen Besitzer seines springlebendigen Schmuckstücks dar, der wohl ahnt, dass es einen Großteil seiner Liebenswürdigkeit einbüßen würde, wenn er mit seinen Erziehungsbemühungen Erfolg hätte. Im Zeitalter von „Effi Briest 2.0“, in dem die Regisseurin Dröse ihre Inszenierungsarbeit schon vor der Premiere auf youtube verfolgen ließ, sind diese Zeiten zum Glück vorbei. Frauen und Männer haben mehr Freiheit über ihr Lebensglück selbst zu entscheiden. Nun gilt es nur noch sie in vollem Umfang auszuschöpfen. Wieder ein Umstand, von dem die Erreichung des Glücks abhängig ist, wie Instetten richtig erkannte! Birgit Schmalmack vom 16.4.12
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Effi (Anja Schneider) und Instetten (Robert Kuchen By Bettina Stöß
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