Adrenalin-Junkies?
Die Fotografin Sarah (Leslie Malton) ist schwer verletzt aus ihrem Afghanistaneinsatz zurückgekommen. Ihr Lebensabschnittspartner, der Kriegsreporter Jamie (Thomas Heinze) pflegt sie in ihrem New Yorker Loft. Nach einem traumatischen Erlebnis hatte er das Kriegsgebiet vorzeitig verlassen und Sarah hatte sich von ihrem Übersetzer und Führer Tarif trösten lassen. Jetzt sieht er die Chance gekommen, seine Liebe und Aufopferungsbereitschaft unter Beweis zustellen. Während Sarah ihre Adrenalin fördernde Arbeit nicht in Frage stellen will, überdenkt James die Möglichkeit einer Neuausrichtung ihres gemeinsamen Lebens. Hinzu kommt, dass ihr gemeinsamer Freund Richard (Rudolf Kowalski) mit seiner jungen Derzeitfreundin Mandy (Rosalie Thomass) ein Kind bekommt und ihm Alternativen damit vor Augen führt. Das Stück „Zeitstillstand“ von Donald Margulies spricht viele Fragen an, die sich in Kriegseinsätzen stellen. Was ist der moralische Sinn von Kriegsberichterstattung? Machen sich die Reporter mitschuldig, indem sie nur dokumentieren und nicht helfen? Werden sie süchtig nach dem Adrenalin der ständigen Lebensgefahr, in die sie ihre Arbeit führt? Stumpfen sie ab oder erfahren sie eine Katharsis während ihrer Arbeit? Wie gehen sie mit ihren traumatischen Erfahrungen um? Wie reagieren die Fotografierten auf ihre Arbeit? Wie gehen die Zuhausegebliebenen und Konsumenten mit ihren Reportagen um? Empfinden den wohltuenden Kitzel des handhabbaren Horrors und kehren dann zu ihren Alltäglichkeiten zurück? Oder werden sie aufgerüttelt und streben politische Veränderungen und Hilfeleistungen für die Leidenden an? Ein vielschichtiges Stück, das in der Umsetzung von Urich Waller am St.Pauli-Theater leider zu oft im Klischeehaften stecken blieb. So war Mandy nur das süße, naive Mädel, das kichernd seine Unbildung zum Besten geben durfte. Unter James sauber gestylten Sunny-Boy-Outfit blieb seine Traumatisierung nur behauptet. Dagegen lotete Leslie Malton in ihrem Spiel die Verarbeitungsstrategien ihrer zahlreichen Verletzungen nachvollziehbar aus. Auch Kowalski gab seiner Figur einiges an Lebensechtheit, die den beiden ersten leider fehlte. Birgit Schmalmack vom 15.12.11
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