Voller Gier nach Leben und Liebe
In Anneke Schwabes Solo "Sehnsuchtsmädchen" steht das Ende am Anfang. "Ich wurde in einem Auto mit fast 8 Promille gefunden, nackt nur mit einer blauen Decke gefunden, seit drei Tagen tot." Dann spult sie in ihr Leben zurück, immer wieder unterbrochen von Songs von Nina Simone und Juliette Greco. Klar waren ihre Entwicklungsmöglichkeiten in Middletown vorgezeichnet: Eine evangelische, konservative Ehefrau und Mutter sollte sie werden. Doch sie sah als Kind schon den vorbeifahrenden Zügen hinterher, da sie ihr zeigten, dass es einen Ausweg aus dieser amerikanischen Einöde geben könne. Und tatsächlich, er bot sich ihr, als sie das Casting zu einer Verfilmung der Jeanne D'Arque für sich entschied. Unter dem großen, aber herrschsüchtigen Regisseur Preminger stieg sie in die große Welt des Filmgeschäftes ein und lernte schnell die Schattenseiten kennen. "Außer Atem" mit Jean-Paul Belmondo führte sie aus den USA nach Paris und ermöglichte ihr endlich auch ein Privatleben. Sie stürzte sich in das Leben, sie verliebt sich immer wieder neu, heiratet vier mal, hat viele Liebschaften zwischendurch. Sie scheut keine Risiken. Immer voller Sehnsucht nach Männern, nach Intensität, nach Erfahrungen, nach Abenteuer und nach Liebe. Als sie wieder nach Hollywood zurückkehrt, ist sie beeindruckt von der Black-Panther-Bewegung und engagiert sich für deren Ziele, nicht nur mit Aktionen sondern auch mit viel Geld. So gerät sie in den Fokus des FBI. Ihr Telefon wird abgehört, ihre Bewegungen werden überwacht, eine Schmutzkampagne wird losgetreten. "Man hielt mich für naiv, aber ich wollte nur vertrauen können, " sagt sie bevor sie die Bühne nach etwas über einer Stunde verlässt. Schwabe gelangt es wunderbar, ein intensives Porträt dieser authentischen Frau zu zeichnen. Sie bewegt sich souverän über die mit wenigen Requisiten ausgestatteten Bühne zwischen den Spiegelwänden und erzählt mit Hilfe vieler textlicher Zeit-Dokumente die Geschichte dieser bemerkenswerten Frau. Schwabe erhielt bei der Aufführung des in Recklinghausen uraufgeführten Inszenierung, die gemeinsam mit Dania Hohmann (Regie) und Ulrich Waller (Dramaturgie) entstanden ist, völlig zu Recht jubelnden Beifall vom Hamburger Publikum. Birgit Schmalmack vom 7.2.18
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