Hypochonder der Liebe
Anatol (Matthias Hinz) sammelt die Episoden seiner Liebesbeziehungen wie zu Staub gewordene Blütenblätter und tackert sie mit seinem Freund Max (Peter Johan) an die Wand. Immer wieder muss er sich beweisen, dass er die Mädchen (alle: Melissa Anna Schmidt) unter seinen Füßen zermalmen kann. Er kann über sie hinweggehen wie ein Gott, der sich immer wieder neue hübsche Blondchen nach seinem Geschmack er- und heranschaffen kann. Max bescheinigt ihm, dass er zwar zu tausend Stimmungen aber zu keiner Liebe fähig sei. Immer beansprucht er die ewige Liebe und allumfassende Treue der Frauen für sich, gesteht den Frauen aber keinesfalls dementsprechende Ansprüche zu. Er muss schon seinen Nachschub sichern, während er die ersten Anzeichen von beginnender Langeweile in sich aufkommen spürt. Er ist nicht in die Frauen verliebt sondern in seine Eroberungsmacht und seine vermeintliche Überlegenheit. Am Schluss muss er kläglich erkennen, dass ihm zum Glücklichsein wohl einfach der Mut fehlte. Regisseurin Johanna Hasse dient die Vorlage von Arthur Schnitzler aus dem 19. Jahrhundert zu einer höchst aktuellen Studie der Oberflächlichkeiten einer Eventgesellschaft. Im Glauben an die unendlichen Möglichkeiten, deren Vorrat an Spaß, Abenteuer und Aufregung unerschöpflich sei, hetzen Menschen von einer Beziehung in die nächste, stets auf der Suche nach dem Immer Mehr. Anatol selbst droht in der immer wieder digital neu entstehender Großstadtkulisse zu verschwinden. Seine Konturen werden für ihn ebenso ununterscheidbar wie die Frauen, die ihm doch zur Einzigartigkeit verhelfen sollten. Birgit Schmalmack vom 4.2.15
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