Integriert oder heimatlos?
Die Sängerin Anna von Schrottenberg hat eine riesige Tasche mit Sekundärliteratur mitgebracht, die sie erstmal komplett auspackt. Überall ragen kleine Fähnchen aus den zahlreichen Büchern heraus. Der Abend über Hans Eisler und Kurt Weill könnte also länger werden als erwartet. Doch Schottenberg gibt Entwarnung: Nur die Themenfelder Liebe, Arbeit und Exil werden heute in den Blick genommen. Eine klare Eingrenzung also! So führt sie im schnellen Wechsel zwischen Liedern aus dem umfangreichen Werk der beiden Musikern, kleinen biographischen Erläuterungen und Zitaten von ihnen und über sie in chronologischer Abfolge durch ihr bewegtes Leben.
Kurt Weill und Hanns Eisler hatten viel gemeinsam und dennoch verlief ihr Entwicklungsprozess fast diametral entgegengesetzt. Beide waren früh in Deutschland im Musikgeschäft erfolgreich. Weill mit der Dreigroschenoper und Eisler z. B. mit den ironisch vertonten Zeitungsausschnitten, die das Bürgertum unerwartet lustvoll in seinen Kulturverbrauch integrierte. Doch beide waren Juden und mussten vor Hitler aus Deutschland fliehen. Beide waren mit Frauen verheiratet, deren Namen mit L anfingen und mit denen sie zusammen arbeiteten. Beide waren der Zwölftonmusik zugetan. Beide kamen nach ein paar Zwischenstationen in New York an. Doch während Kurt Weill sich sogleich der vollkommenen Integration widmete und mit seinen Musicals schnell am Broadway Erfolge feierte, bekam Hanns Eisler keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und wanderte zwischen Amerika, Mexiko und Illegalität hin und her. Denn er war ein bekennender Kommunist. Wenn er Liebeslieder schrieb, dann solche an den Kommunismus. Er schlug sich mit undankbaren Dienstleistungen im Musikgewerbe herum und bleib ein Heimatloser. Er verfasste Heimwehlieder wie das traurige "Und ich werde nicht mehr sehen..." Weill dagegen schrieb schmissige jazzige Songs, die zu Ohrwürmern wurden, wie "Speak Low" oder "How can you tell an American?"
Die Lieder, die von Schottenberg zu der exzellenter Begleitung durch den Pianisten Matthew Rubenstein mit Witz, Ausdruck und Souveränität vorträgt, geben Einblick in die unterschiedlichen Stimmungslagen, Haltungen und Lebensauffassungen von Eisler und Weill. So erschaffen von Schottenberg und Rubenstein unter der geschickten Regie von Johanna Hasse eine kurzweilige, informative und sehr stimmungsvolle Musikperformance, in der Schottenbergs Cello als kurviges Gegenüber keine unwesentliche Rolle spielt.
Birgit Schmalmack vom 17.4.16
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Liebe Arbeit Exil Foto: Johanna Hasse
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