Carmen, Kamnagel

Carmen, Kampnagel



Sex und Macht

Diese Carmen braucht keine Musik, die ihr den Takt vorgibt, sie macht sie selbst. Mit ihren nackten Füßen stampft sie ihren Rhythmus auf den Boden, ihre Hände geben den Beat vor. Ihr Becken schwingt, ihr Hinterteil ist stets in Bewegung, ihr fließendes Kleid zeichnet ihre Energie nach. Diese Carmen braucht kein wallendes schwarzes Haar, um ihrer Erotik Nachdruck zu verlieren, ihr reicht eine Rose auf der Glatze.
Die südafrikanische Choreographin und Tänzerin Dada Masilo hat sich in ihrer neusten Arbeit das Ballett Carmen vorgenommen und es auf seine eigentlichen Kernbotschaften reduziert. Eine selbstbewusste Frau wagt es in einer von Männern dominierter Gesellschaft ihr Liebesleben selbst zu gestalten. Statt zu warten, bis die Männer sie erwählen, sucht sie sich die Männer aus und flirtet so ungehemmt und so lange, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Hat sie den Mann endlich da, wo sie ihn haben will, kann es sein, dass ihr Interesse schon zum nächsten Kandidaten ihrer möglichen Lustmehrung weitergezogen ist. Sie nimmt sich eigenmächtig, was sie will. Sie nimmt keine Rücksicht auf mögliche Risiken, sie nimmt sich heraus ihr Recht auf selbstbestimmten Sex einzufordern.
Diese freche, risikofreudige und egoistische Frau zwischen Sex und Macht stellt Dada Masilo in eine Gesellschaft aus Männern und Frauen, die einerseits Carmens unverschämte Eigenmächtigkeit regulieren wollen und gleichzeitig von ihrem Mut fasziniert sind. Die anderen Personen interessieren sie nur insoweit sie eine Bedeutung für Carmen haben. Sie verbindet in ihrem Tanz südamerikanische, afrikanische Tanzelemente mit denen des Ballett und des Modern Dance. Als Musik kombiniert sie die Bearbeitung der Originalmusik von Bizet von Rodion Shchedrin, Klavierstücke von Arvo Pärt und selbstgemachte Trommel- und Klatschsequenzen. Das ist spannend, mitreißend und kurzweilig. Nach gut 70 Minuten hat sie die Story um Carmen erzählt. Still stehen dann die Zeugen in einem Halbkreis und betrachten das Ergebnis ihres todesmutigen Spiels um Liebe, Begierde und Eifersucht. Ein mitreißendes Stück, dass die voll besetzte K6 begeisterte.
Birgit Schmalmack vom 21.12.15


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