Von - bis
Die Bilanz des zweiten Abends der Abschlussarbeiten der Performance Studies fällt gemischt aus. Die erste Hälfte bis zur Pause ließ mancher Zuschauer auf die zweite Hälfte verzichten, zumal das Halbfinalspiel Deutschlands zeitgleich lockte. Doch wer blieb, wurde belohnt. Nach der Pause bekam man drei Perormances zu sehen, die interessierten. In der ersten Hälfte begutachtet der Zuschauer zunächst vier Frauen unterschiedlichen Alters bei Alltagsbewegungen. Das Beobachten des Anderen sollte anscheinend geübt werden. Das anfängleiche Interesse machte schnell Langeweile Platz. Die dritte Arbeit strapazierte die Geduld der Zuschauer noch mehr. Hier zeigte ein Mann, dass er seine Muskeln so gut trainiert hatte, dass er zwanzig Minuten „fliegend“ auf einem Stuhl verharren konnte. Die im Titel angekündigte „Fallstudie“ blieb leider aus. Ein Lichtblick gab es zwischendurch, als Hannah Wischnewski ihr Frauenbild untersuchte, indem sie anhand verschiedener Tanzstile unterschiedliche Haltungen des Frauseins ausprobierte. Standardtanz, höfischer Gesellschaftstanz, Ballett, Ausdruckstanz oder Free Style dienen ihr als Erprobungsraum für ein neues Persönlichkeitsgefühl „Ja, Monsieur“ versicherte sie einem imaginären Gegenüber zu Beginn immer ihre Bereitschaft zum Geführtwerden. Doch der herbeigerufene, leibhaftige Jonas macht alles verkehrt und wird schnell wieder abgelegt. Juliana Oliveira wurde zum Publikumsliebling dieses Abends. Mit ihrer Stöberei "Babe Babel Dear" in ihrer persönlichen Bücherei überraschte, verblüffte und interessierte sie. Wohltuend distanziert inszeniert sie zwischen ihren Bücherstapel eine neue Geschichte zwischen Buchzitaten. Sie spielt dabei mit den Fantasien der Zuschauer und mit ihren Erwartungen an den Umgang mit dem hehren Medium Buch. Als sie das „erste Mal“ ankündigt, wirft sie ein Buch auf den Boden, reißt eine Seite heraus, knickt es über den Buchrand und reibt ihren Körper mit einem Buch. Eine intelligente und spannende Performance! Die nächste von Annika Scharm fiel deutlich kleiner aus. Sie spielte mit ihrer Verkleidungssucht. Für ihr weibliches Wohlgefühl probiert sie unterschiedliche Posen in immer neuen Kleidern aus. Nora Elberfelds Arbeit "Und das Loch im Bauch ist nicht jenes aus dem ich pfeife" zeugte von viel Sprach- und Körpergefühl. Doch erst der assoziationsreiche Text gibt ihrer Performance Tiefe. Während zwei Performer wie junge Hunde am Boden herumtollen, eine weitere Lochmuster aus Sand auf den Fußboden streut, erzählt eine Schauspielerin von Löchern, die sich auftun. Löcher in Gegenständen, in Biographien, in Körpern, in Straßen und in Eimern. Ausgehend von dem Lied, „Heinrich, ein Loch ist im Eimer“ werden die Gedankenketten intelligent weitergesponnen. Elberfeld lies genau die richtige Menge an Rätseln in ihrer Performance zu, um auch nach ihrem Ende noch Gedanken anregend zu bleiben. Birgit Schmalmack vom 29.6.12
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