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Nordwindfestival, Kampnagel
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12Karamosows
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Dostojewskis Roman als Rockkonzert
Beim finnischen Regisseur Kristian Smeds werden aus den "12 Brüdern Karamasows" von Dostojeswki sechs Schwestern und sechs Brüder. In einer Kulisse und in Kostümen aus Pappkartons verarbeiten sie die Themen des Romans in einem szenischen Rockkonzert. Mit estnischen Schauspielstudenten hat Smeds ein energiegeladenes Stimmungsbild auf die Bühne der K1 auf Kampnagel gebracht, das sich Fragen nach Gut und Böse, Schuld und Verantwortung, Liebe und Hass widmet. Ein ständiger Atmosphärenwechsel ist Teil des Programms. Aggressiv aufgeladene Kampfszenen, die sich in punkigen Rocksongs mit schreiendem E-Gitarren-Sound austoben, kontrastieren mit beziehungsreichen Balladen, die von zarten Liebesgefühlen sprechen. Gerade aus dem Wechsel zwischen Frauen und Männern an den Instrumenten und den Mikros zieht die Truppe einen Energiegewinn, der für stetige Überraschungen sorgt. Mit Klischeevorstellungen der Geschlechter wird hier lustvoll gespielt, wenn gerade die Frauen für die rebellischen lauten Töne sorgen oder die Männer für die nachdenklicheren und leisen. Die Zuschauer sind Teil der Aufführung. Sicher konnte sich keiner sein, nicht direkt in das Geschehen auf der Bühne hineingezogen zu werden. Wer wollte durfte sich zwischendurch mit Wodka die Bedenken benebeln. Allzuviel Karamosow war hier nicht drin, doch den Zuschauern blieb wenig Zeit darüber nachzugrübeln: Schon bis zur Pause nach gut zwei Stunden bot die Inszenierung mehr an Ideen, Kraft und Spirit als manch andere für die viereinhalb Stunden der gesamten Aufführungsdauer eingefallen wären. Birgit Schmalmack vom 10.12.11
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12Karamasows als szenisches Rockkonzert by Kristian Smeds
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Teach us to outgrow our madness
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Lass es raus!
Die isländische Choreographin Erna Omarsdottir lässt alles raus. Was wie eine Urschreitherapie anfängt, mündet bald in ein Headbanging-Event und ein Atemtraining. Eine Sündenaustreibung, eine Aerobicstunde, ein Schminktreffen und eine Totenbeschwörung folgen. Kaum etwas an weiblichen Beziehungsstrukturen und deren emotionaler Äußerungsformen wird ausgelassen. Solidarität, Eifersucht, Aggression, Wut, Liebe, Schwesternschaft, Mutter-Kindbeziehung oder Schwangerschaft – all das zeigt die isländische Choreographin Erna Omarsdottir mit ihrer eigenen nordländischen Compagnie. In enger Zusammenarbeitung mit den Musikern Lieven Dousselaere und Vladimar Johannsson entstand so ein aufwühlendes Werk voller Überraschungen, das sich an keine zeitgenössische Tanzschule hält, sondern selbstbewusst mit den Stilen zwischen Performance und Ausdruckstanz spielt. Souverän wird hier Weiblichkeit in Szene gesetzt, die ohne Scham und in absichtsvoller Naivität mit überzeichneten Realitäten provoziert. Birgit Schmalmack vom 12.12.11
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Nordwindfestival auf Kampnagel Erna Omarsdottir: TEACH US TO OUTGROW OUR MADNESS
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Omega and the deer
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Gnadenlos: Demonstration weiblicher Stärke
Begegnungen zwischen den Geschlechtern am Rande zwischen Stadt und Land, zwischen Dunkelheit und Licht; von diesen erzählt die Choreographin Ingun Bjørnsgaard aus Norwegen. Die Frauen sehen in ihren transparenten Kleidern sehr erotisch aus. Mit ihren langen Beinen stolzieren sie verführerisch vor den Augen der Männer umher. Doch Anfassen ist nicht erlaubt! Gerade durch ihre unverdeckte Weiblichkeit spielen die Frauen eine Macht aus, die ohne physische Gewalt auskommt. Nur mit ihren zarten Gliedmaßen schaffen sie es, die Männer in die Knie zu zwingen. Eine Frau lässt sich in Unterwäsche solange von einem der Tänzer durch die Luft wirbeln, bis er laut schnaufend am Boden liegt. Sie dagegen geht beschwingt von dannen. Die Männer demonstrieren ihre Kraft, offenbaren aber gleichzeitig ihr Begehren. Nie wurde die Stärke von Frauen so genau und gnadenlos analysiert. Die Compagnie glänzte durch technische Perfektion in klassischem und modernem Tanz und erkundete auf dieser Basis neue Gefilde tänzerischer Innovation. Birgit Schmalmack vom 12.12.11
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NORDWIND-Festival auf Kampnagel Ingun Bjørnsgaard: OMEGA AND THE DEER
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It seems to be a good place to build a house
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Geruhsame Handwerkerstunde
Einmal sollte ein Mann ein Haus bauen, so lautet eine Volksweisheit in Finnland und Estland. Um wie viel netter, erfolgreicher und romantischer es zusammen mit einer Frau geht, untersuchen der finnische Performancekünstler Juha Valkeapää und die estnische Choreographin Kaja Kann So darf der Zuschauer der Errichtung eines Holzlattenhauses in Echtzeit beiwohnen. Das erfordert viel Langmut und Geduld. Doch auch als das Haus fertig ist, passiert hier nicht viel. Eine Geschichte wird erzählt, eine Gemüsesuppe gekocht und ein übrigen Bühnen-Energiefeuerwerken des Festivals. Birgit Schmalmack vom 12.12.11
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Nordwind-Festival auf Kampnagel Juha Valkeapää / Kaja Kann: It seems to be a good place to build a house
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Inni
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Yoga für die Ohren
Nein, der Anteil des Heavy Metal, den ein Mitglied der isländische Band Senor Ros aus Island in ihrer Musik sieht, ist ziemlich gering. Überwiegend schwelgt der Leadsänger mit seiner hohen Stimme in esoterischen Sphären, die von den vier Bandmitgliedern mit Keyboard, E-Gitarre, Schlagzeug und gestrichenen Bass erzeugt werden. Langsam bauen sich die Wolkengebilde aus Klängen auf, bis sie sich in einem kurzen explosiven Crescendo entladen, um dann wieder den ruhigen besinnlichen meditativen Gesängen Platz zu machen. Der kanadische Regisseur hat mit klaren einfachen Mitteln versucht filmische Bilder für die Musik zu finden. Mit zahlreichen Handkameras, vielen Überblendungen und Lichtreflexen ist er den Musikern so dicht auf den Leib gerückt, dass die Klangsphären sich in kleinste optische Details auflösen.
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Zur Kritik von
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