Verbotene Liebe
Lauter wollene Liebe ist über die Bühne gespannt. Dicke rote Fäden und Wollknäuel sind über das Bühnenviereck verteilt. Der rote Teppichboden ist warm und gemütlich. Die vielen Tiere, die das Viereck, in dem das Publikum auf Schulstühlen Platz genommen hat, bevölkern, sind aus roten Patchworkflicken zusammengenäht. So fühlt sich auch das Mädchen: Meine Körperteile gehören nicht zu mir. "Ich bin nicht schuld", soll sie sich immer wieder wie ein Mantra vorbeten, sagen ihr die Therapeuten, die ihren Fall mit großer Neugier betrachten. Ein Mädchen, das schon mit fünf immer wieder zum Frauenarzt gebracht werden muss, weil es zwischen den Beinen Probleme hat. Die Mutter betrachtet mit emotionaler Distanz die Beziehung, die sich zwischen Vater und Tochter entspinnt. Eine große Liebe ist das. Die Tochter erwidert die Liebe zu Papa mit jeder Faser ihres kleinen Herzens. Ist das verboten? Wann wird diese Liebe zu etwas, was unterbunden werden muss? Wie kann sich ein kleines Mädchen, dessen Beine zu kurz zum Weglaufen sind, aus diesem Gespinst aus Liebe und Abhängigkeit wieder selbstständig entwinden? Wird sie je wieder ihre Einzelteile zusammenflicken können und ein Ganzes ergeben, wie die Patchworktiere, die tatsächlich stehen können? Die drei Frauen und die zwei Männer stecken alle in weißen langen Hemden mit kurzen wollenen Strickoberteilen. Alle fünf sind sie das Mädchen, schlüpfen aber auch in die Rollen von der Mutter, den Doktoren oder dem Vater. In seiner Abschlussarbeit hat Jungregisseur Gunnur Martinsdottír Schlüter viel gewagt und etliches erreicht. Der Text von Katja Brunner ist eine Collage von Erinnerungen, Szenen, Traumpassagen, Märchenerzählungen in den verschiedenen Zeitschienen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die ein schwieriges Thema des Missbrauchs in Familien aufgreift und hinterfragt. Er wählt dafür die intime Bühnensituation eines umzäunten Geviert, in dem das Publikum zusammen mit den Darstellern sitzt. So wird das grandiose Bühnenbild zu einem Sinnbild der inneren Verfasstheit des Mädchen. Einerseits kuschelig, gemütlich-hell und heimelig, andererseits zerrissen, neongrell und zerstörerisch. Schlüter hat es geschafft mit seinen fünf tollen Darstellern in das Innere des Mädchens zu blicken, ohne alle Fragen zu klären. Eine reife Leistung für zwei so junge Talente wie die Autorin Katja Brunner, die den Text mit 18 Jahren schrieb und Schlüter, der nach seinem Studium diese Regiearbeit hinlegte. Birgit Schmalmack vom 13.2.17
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Abschlussinszenierungen Tillmann Engel
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