Fürchtet euch nicht
Sein Heiligenschein besteht aus einem Tamborin. Doch das tut der würdevollen, weißen Eminenz, die von ihren beiden Puppenspielerin eskortiert wird, keinen Abbruch. Gott tritt auf und steht sofort im Rampenlicht. Wenn er mit heiserer Stimme „Marmor Stein und Eisen bricht, aber meine Liebe nicht“, ist die Leerstelle des Karaoke wunderbar gefüllt worden. Doch es kommt noch besser: Immer wenn er verkündet „Euer Wille geschehe!“, steht einer großen Heroen von seinem Totenbett auf und wird von Suse Wächter und Veronika Thieme zu neuem Leben erweckt. Dass dem Publikum nicht nur Wogen der Begeisterung und des Erstaunens sondern auch Schauer des Gruselns über den Rücken laufen, dafür sorgen Auftritte von Hitler als Grönemeyer mit Flugzeugen im Bauch, des nackte, süße Jesus-Babys als martialisch-rockender Rammstein, Henry Ford als sterbender Sinatra mit „I did it my way“ und Stalin als umgarnender Latin Lover bei den Capri-Fischern. Zuvor hatte Veronika Thieme schon zu den „Zwiegesprächen mit Gott“ gebeten. Einen Grundworkshop im Schöpfen gab es dabei gratis, führte Thieme doch vor, wie sie sich selbst als Puppengöttin aus einem Paar Schwimmflossen und ansteckbaren Kugel-Augen ein vorwitziges, umtriebiges Mädchen, einen grimmigen Bedenkenträger und einen latschigen Faulpelz als Gesprächspartner erschuf. So locker philosophierend mit einer gehörigen Portion Berliner Schnauze (ohne Übertitel!) wurde man vorbereitet auf den Fortgeschrittenenkurs, für den die beiden Puppenspielerin auch noch eine waschechte Japanerin als Expertin für Karaoke mit aufs Sofa gebeten hatten, auf dem es nicht nur gemütlich wurde. Die vorgesehenen 20 Minuten erschien den begeisterten Zuschauern für die fulminante Gesangshow der Untoten als viel zu kurz. Mit lauten Rufen nach immer weiteren Zugaben sorgten sie für die gewünschte Verlängerung. Gerne dürfte auch eine in Form eines abendfüllenden Programms des „Karaoke mit Gott“ folgen. Birgit Schmalmack vom 4.11.14
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