Alte weiße Männer
Sind Sie ein weißer alter Mann? Diese Eingangsfrage reichte Sophie Passmann um ihre männliche Gesprächspartnern aus der Reserve zu locken. Sie stellte sie gleich zu Beginn ihrer Interviews. Dann lehnte sie sich zurück und wartete die Reaktion der Männer ab. Denn es waren in Regel redegeübte Männer, die sich gerne selbst darstellten. Wenig weitere kritische Nachfragen brauchte Passmann, um der Selbstbloßstellung beizuwohnen und anschließend genüsslich über sie zu berichten. Drei Kostproben dieser männlichen Entlarvung gab sie bei ihrer Lesung ihres "Debattenbuches" bzw. "kleinen Terrorzelle" (Selbstbeschreibung von Passmann) im Schauspielhaus. Zuerst war Robert Habeck dran. Auf einer Wiese nahe des Bundestages schwurbelte er in philosophischen Allgemeinplätzen von den Grünen, die eigentlich per se schon hundertprozentig frei von alten weißen Männern sein sollten, aber in deren Reihen sich auch die gesellschaftlichen Prägungen besichtigen lassen könnten. Passmanns Gespräch mit ihrem gelbe Fliege und Siegelring tragenden Vater, der die Veganerin Passmann netterweise ins Steakhouse einlud, führte in den Sumpf starrsinniger Männlichkeit. Er könnte kein Feminist sein, schließlich sei er keine Frau, war von ihm zu hören. Ihr letzter Interviewpartner war der Welt-Chefredakteur Ulf Oliver Poschardt. Die "Welt" ist laut Passmann die "Bild" für Menschen mit Bücherregal. Auch hier kommt Passmann kaum zu Wort. Pochat rühmt sich selbstherrlich als selbst ernannter Frauenfreund. Indem er Frauen mit in sein Redaktionsteam Team geholt hätte, wäre der Ausblick in die Runde viel angenehmer. Für ihn brauche es keine Quote, die Frauenbeteiligung wäre einfach ein Gebot der Marktwirtschaft. Der Abend lebte weniger von den inhaltsschweren Erkenntnisse, die sich durch die geschilderten Interviews ergaben, sondern vielmehr von Passmanns kabarettistischen Einlagen am Rande. Ihre Anekdoten, in denen sie ihre bisherigen Lesereisen mit bissigen Bemerkungen schilderte, trieben die Lachquote mehr in die Höhe als die gelesenen Passagen. Diese Frau ist als sarkastisch parlierende Entertainerin in ihrem Element. Da sitzt jede Pointe, die sie scheinbar beiläufig raushaut. Passmann ist eine souveräne Bühnenfrau. Ob das allerdings schon den Stempel Feminismus verdient, wie sie in jedem dritten Satz anmerkt, sei dahingestellt, unterhaltend ist es in jedem Fall. Birgit Schmalmack vom 4.11.19
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