Wir brennen schon lange nicht mehr
"Du liebst mich nicht, also schlägst du mich nicht", meint Julia (Julia Wieninger) zu ihrem Mann (Paul Herwig). Die Zeiten der Liebe seien vorbei, ihr Feuer sei erloschen. Doch sei das kein Verlust. Den anderen verlassen käme nicht in Frage. Sie sind ein gut situiertes, kinderloses Akademiker-Ehepaar in einer Großstadt, in ihrem abgeklärten Zynismus verbunden, anscheinend ohne Ideale, ohne Wünsche. Ihre seelenlose Erfolgsorientierung unterstützt ihre beruflichen Karriere. Dabei bleiben ihre Emotionen auf der Strecke. Julia und Paul sehen und zeichnen sich als seelenlose Persönlichkeiten. Diese Erkenntnis wird dem Zuschauer schon in den ersten Minuten unterbreitet. Dann betreten Tilman (Tilman Strauß) und Josefine (Josefine Israel) die Bühne. Ein junges Paar, das Julia eingeladen hat, nachdem sie die junge Frau gerade als Assistentin in ihrem Institut eingestellt hat. Auch die beiden halten sich nicht lange mit Fassaden auf. Kaum über die Türschwelle, erzählt Josephine von dem bedingungslosen, aber drogengeschwängerten Sex, den sie zuvor mit Tilman gehabt hätte. Was vom Setting an Yasmina Rezas "Gott des Gemetzels" erinnert, entwickelt sich bei Martin Crimp völlig anders. Hier gibt es keine Fallhöhe, aus der die Figuren zu Boden stürzen; sie entlarven sich in den ersten Minuten ihres Auftrittes selbst mit ihren eigenen Worten. Hier muss ihnen kein anderer die Maske von Gesicht reißen, hier wird keine Fassade aufgebaut, die später einstürzt. So versucht Regisseurin Katie Mitchell auf andere Weise Spannung zu erzeugen. Sie unterlegt die Szenen mit dröhnendem diffusen Wummern und friert die Figuren nach jeder Szene in Slow Motion ein. Sie sind gefangen in ihrem selbst gewählten Umfeld und werden doch getrieben von einer unsichtbarer Macht, die sie in aufbrechender Aggressivität aufeinander losgehen lässt. Was das ältere Paar untereinander nicht mehr an Emotionen herauslassen kann, bricht sich jetzt in der Gegenüberstellung mit dem jungen Paar seine Bahn. Als erstes schlägt Josephine Paul direkt mit der Faust ins Gesicht. Dann treten sich die beiden Männer in einem Kampf gegenüber. Zuletzt greift Julia zum Messer. Schließlich heißt das Stück "Schlafende Männer". Aus der Lethargie des abgeklärten Zynismus wird gewalttätige Aktion. Diese letzte wäre verzichtbar gewesen. Sie nimmt den Personen genau das Stück Geheimnis, das Mitchell den ganzen Abend zuvor wunderbar sorgsam und gekonnt aufbaut hat. Birgit Schmalmack vom 30.11.18
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