Lügen, Junges SH

Lügen, Junges Schauspielhaus



Versöhnung ohne Gerechtigkeit ist nicht möglich

Pio (Gabriel Kähler) meint seinen Vater (Hermann Book) gut zu kennen. Schließlich lebt er schon seit seiner Geburt alleine mit ihm zusammen. Doch in seinem letzten Jahr vor dem Abitur lernt er ihn von einer ganz neuen Seite kennen, die sein bisheriges Weltbild zum Einstürzen bringt.
Wie lässt sich mit großer Schuld umgehen, wenn sie nicht selbst sondern von den Vorfahren begangen worden ist? Dieser Frage müssen sich Pio und sein Vater stellen. Versöhnung ohne Gerechtigkeit ist nicht möglich, und die bedarf der Wahrheit. Doch Pios Vater hat seit über 20 Jahren gelogen. Seit er aus Ruanda nach Holland einreiste, verleugnet er seine Vergangenheit. Erst durch eine ältere Ruanderin, die ebenfalls nach Holland geflohen ist, kommt Licht in die verdrängte schuldbelastete Zeit vor Pio. Seine Vater war beteiligt an dem Massenmord der Hutu an der Tutsi-Minderheit.
"Mich ekelt vor dir!", schleudert er seinem Vater entgegen. Er kann nicht mehr mit ihm unter einem Dach leben und zieht bis zum Abitur zu seiner Freundin Swantje (Sophia Vogel). Die veranstaltet, um ihrem Freund zu helfen, eine "Gacaca", ein traditionelles Dorfgericht, das auch in Ruanda nach dem Völkermord einen Weg zu einer Versöhnung zwischen Tätern und Opfern ebnen half. Der Vater gesteht nach der Konfrontation mit seiner ehemaligen Nachbarin und Zeugin seiner Taten seine Schuld ein.
Ein Weg zu einer Wiederannäherung zwischen Vater und Sohn? Das Ende bleibt in dem Stück von Ad de Bont offen. Drei verschiedene Möglichkeiten werden von dem grandiosen Schauspielerteam durchgespielt. Drei mögliche hoffnungsvolle Schlüsse für eine erschütternde Geschichte, der das jugendliche Publikum mit großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme folgte. Unter der Regie von Klaus Schumacher entstand eine Umsetzung, die konzentriert, schnörkellos und mitnehmend war. So ermöglichte der Abend auch die Parallelität zu Konflikten in deutschen Täterfamilien zu ziehen, ohne explizit darauf hinzuweisen.
Birgit Schmalmack vom 27-1-17


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