Blick aus der Vergangenheit in die Zukunft
An Land wähne sich der Mensch als Herrscher über die Geschicke, doch auf den Ozeanen herrschten die Gesetze des Meeres. Beim "Blick in die Zukunft aus der Vergangenheit", wie die Leiterin des Klabauter Theaters Dorothee de la Place es nannte, darf man als Zuschauer nun entscheiden, wer bei den Abenteuern "20000 Meilen unter dem Meer" das Sagen hat. Für einen auf der Bühne ist die Antwort völlig klar: Nur ein Mensch sei Herrscher über das Meer, und zwar er selbst, Kapitän Nemo. Nachdem er mit der Welt abgeschlossen hat, ist er mit seinem selbst entwickelten Unterseeboot abgetaucht. Hier lebt er mit seiner Mannschaft ausschließlich von dem, was das Meer ihnen gewährt. An Technik mangelt es ihm nicht. Die Nautilus ist für alle Fälle bestens mit technischem Gerät ausgerüstet. Auch über militärische Mittel verfügt sie. So verbreiten sich an Land schnell die Gerüchte über ein Seeungeheuer, das auf den Weltmeeren unterwegs sei und Schiffe attackiere. Professor Aronnax (Katrin Heins) nimmt das Angebot der US-Marine gerne an und macht sich an Bord der Fregatte Abraham Lincoln auf, um das Ungeheuer zu entdecken und unschädlich zu machen. Als sich das Monster nach einem Zusammenstoß als U-Boot herausstellt, ist der Wissensdurst von Aronnax noch weiter angestachelt, zumal Nemo ihm eine Unterwasserwelt zeigen kann, die bisher kaum jemandem zugänglich war. Doch dieser Nemo ist ein unberechenbarer Mann, dessen Handlungen von durchbrechender Aggressivität und Verbitterung gekennzeichnet sind. So wollen Aronnax Begleiter, sein Diener Conseil (Amon Nirandorn) und der Harpunier Ned Land (toll: Agnes Wessalowski), möglichst schnell wieder an Land. Im Klabauter Theater hat Regisseur Gero Vierhuff den dicken Klassiker von Jules Verne mit dem inklusiven Ensemble in einer klug verkürzten Version auf die Bühne gebracht. Dazu wurden kurzerhand die Perspektiven gewechselt: Die Zuschauertribüne wird auf das Bühnenpodest und die Bühne hinter die Eingangstür verlegt. So entsteht unten mit Hilfe eines glänzend blauen, umlaufenden Vorhangs ein Unterseeraum und oben kann die Galerie als hölzerne Reling der Fregatte genutzt werden. Lars Pietzko als Kapitän Nemo läuft in dieser Inszenierung zu Höchstformen auf. Die Bitterkeit, die diesen Mann unter Wasser trieb, sieht man dem Mann im Rollstuhl in jedem Moment an. Doch auch sein Stolz auf seine Erfindungen und seine Freude an der Schönheit des Lebens in die Tiefen des Meeres versetzt ihn in sichtbares Entzücken. Wenn die anderen Mitglieder des Ensembles mit ihren durchsichtigen Regenschirmen und ihren leuchtenden Tauchbrillen als Quallen, Trompeten- oder Druckerfische die ins Blau getauchte Bühne bevölkern, erreicht die Inszenierung ihren atmosphärischen Höhepunkt. Der der größten Spannung ist gekommen, als die Riesenkrake (auch von den Mitgliedern eindrucksvoll an langen Stangen ferngesteuert) das U-Boot angreift und vom Harpunier Ned Land schließlich erlegt wird. Viel Beifall erhielt die neue Produktion und das an außergewöhnlichen Persönlichkeiten reiche Ensemble von den prall gefüllten Reihen im Theatersaal im Rauhen Haus. So eine Ausdrucksvielfalt ist an keinem anderen Haus in Hamburg zu entdecken. Birgit Schmalmack vom 16.11.18
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20000 Meilen unter dem Meer im Klabauter Theater
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