Auf den Kopf gestellt
Im weißen Rund steht ein schlichter Spannplattencontainer. Auf die leeren Flächen kann alles projiziert werden. Der Fantasie der eigenen Selbstdarstellung sind keine Grenzen gesetzt. So kann der „Held unserer Zeit“, Petschorin (Pablo Konrad), seine Mitmenschen nach Herzenslust manipulieren. Er benutzt dabei die Männer ebenso so wie die Frauen. Er erzählt ihnen romantische Heldengeschichten. Sie sind empfänglich für die Fantasien, die ihre Seelen zum Klingen bringen, die ihre Sehnsüchte, wenn auch für einen Moment, stillen. Zurück belieben ent-täuschte Frauen und Männer, die um eine Täuschung ärmer und um eine Lebenserkenntnis reicher sind. Petschorin ist nur daran interessiert seiner Lebenslangeweile zu entkommen. Das Leben ist für ein nutzloses, sinnloses Ding. Er kennt keine Werte als die der Vergnügung und Zerstreuung. Wenn Konrad sich mit großer Gelenkigkeit an der Kante des Containers entlang hangelt, ist das ein Bild dafür, wie er sich durch sein Leben windet. Er lebt von seiner äußerlichen Attraktivität, deren Reize er gnadenlos ausspielt. Er nutzt die Menschen als Spielmaterial um seiner gähnender Sinnlosigkeit zu entkommen. Nur eine durchschaut ihn: Vera (herausragend: Gala Winter) hat ihn erkannt und liebt ihn dennoch. Regisseur Johannes Ender schafft es fast mühelos auf einer leeren Bühne Welten der Fantasie entstehen zu lassen. Mit wenigen Mitteln aber wunderbaren Schauspielern (Niklas Bruhn, Sophie Krauß, Johanna Link, Mio Neumann, Christoph Vetter) entführt er spielend von den Bergen über die Steppen Kasachstans in ein Kurbad. Der Spiegel des Inneren wirft aus dem Container heraus wie eine Camera obscura auf dem Kopf stehende Bilder auf die weißen Wände. Eine ergreifende, schlichte und zugleich verspielte Inszenierung des Abschlussjahrganges Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater, die sich sehen lassen kann. Birgit Schmalmack vom 4.4.14
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