Wie Europa gelingt

Wie Europa gelingt


Spielend verstehen

Die Verfassung liegt auf Eis. Als sie sich endlich erhebt, ist sie entschlossen an ihrer misslichen Lage etwas zu ändern. Mit dem Mittel der Familienaufstellung versucht sie wieder Schwung in den Einigungsprozess Europas zu bringen. Die meisten Stühle in dem Kreis der 27 bleiben leer. Ganz bewusst hat sie sich dafür entscheiden erstmal mit sieben Familienmitgliedern zu beginnen. Schwierig genug! Das selbstgefällige Großbritannien erzählt lieber Anekdoten statt sich den Kopf über gemeinsame Ziele zu zerbrechen. Estland leidet so ausgiebig unter seinem Abflauen der Euphorie der ersten Jahre, dass es kaum über den Tellerand hinausblicken kann. Finnland rühmt sich nur der eigenen Kraftanstrengungen und fordert ebensolche von den anderen. Polen sieht sich als flexibel in allen Ländern einsetzbarer Arbeiter - gerne auch als Selbstversorger mit seinen eigenen heimischen Produkten aus der mitgebrachten Kühlbox. Spanien denkt nur an die Wasserversorgung der hauseigenen Pools. Slowenien leidet unter einem Burnout, nachdem die Krise die Hoffnung auf baldige Verbesserung der Wirtschaft zunichte gemacht hat. Zypern erfreut sich eher am vergnüglichen Wodkatrinken mit investitionsfreudigen, spendablen Russen als an einer mühsamen Zusammenarbeit mit den Europäern.
Viele Einzelaufstellungen später, in denen die einzelnen Länder mit Stellvertretern ihre eigene Situation nachstellen und die fremden Positionen nachfühlen sollten, erkennen sie: Unsere Herkunftsfamilien mögen noch so unterschiedlich sein, ihre Wurzeln binden uns alle gleichermaßen. Zwar auf unterschiedliche Art, aber mit gleicher Stärke. In ihren Unterschieden erkennen sie plötzlich ihre Gemeinsamkeiten. Fröhlich kichernd ziehen sie von der Bühne. Einzig die völlig verkannte Verfassung bleibt vergessen zurück. Ihren Namen konnte sich eh niemand merken. Einzig ihre Präambel guckte ein wenig unter dem Turm der aufgestapelten Stühle hervor: Vertreten durch ein gerupftes Huhn aus der Kühlbox des Polen.
Katja Hensel spielt gewitzt mit den Klischeevorstellungen der sieben europäischen Länder. Ein unterhaltsamer Abend mit einleuchtenden, aber auch überraschenden Zuschreibungen, der die EU als therapiebedürftigen Patienten, aber auch als große Familie beschreibt. Leider können auch die psychologischen Hilfsmittel hier nicht die allumfassende Lösung herbeizaubern, die der Titel verspricht. Lediglich im gemeinsamen Spiel entstehen die Emotionen, die die Bindungen in dieser disfunktionalen Familie möglicherweise wachsen lassen könnten.
Birgit Schmalmack vom 25.6.13


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