Dreifach heimatlos
Gleich dreifach heimatlos fühlt sich Mahler zeit seines Lebens: als Böhme in Österreich, als Österreicher in Deutschland und als Jude überall. Als Ersatz sucht er sich ein Zuhause in der Musik. Seine Musik ist gelebt und er lebt in der Musik. Daher richtet Mathias Christian Kosel den musikalischen Theaterabend auch als konsequente Verzahnung von Liedern und autobiographischen Texten Mahlers ein. Mahler (Markus Boysen) sitzt an seinem Schreibtisch und notiert Noten. Um ihn herum stehen hohe Papierstapel, die von seinem Schaffensdrang erzählen. Die Mezzosopranistin (Feline Knabe) umgarnt ihn als seine Muse leichtfüßig mit seinen Liedern. Am Flügel begleitet der Arrangeur Kosel. „Steh auf Langschläfer!“ Was zunächst mit heiteren Naturliedern und hoffnungsfrohen Liebesliedern beginnt, bekommt mit fortschreitendem Lebensalter des Komponistin immer düstere Untertöne. Als er die Liebe seiner Ehefrau Alma Schindler zu verlieren droht, gerät er in eine tiefe Krise. Er hatte ihr die Aufgabe der Karriere als Kollegin verwehrt und erkennt erst spät, dass dies ein unverzeihlicher Fehler war. Während Knabe das Lied von der Erde singt, verzweifelt Boysen am Lebenssinn. „Bin ich denn ein Mensch oder ein Konstruktum?“ Je eindringlicher die Töne werden, desto spannender wird der Abend. In der szenischen Einrichtung von Nora Schumacher finden die Darsteller schöne, einfache Bilder, um die Seelenlage Mahlers zu spiegeln. Da gleiten ihm seine Aufzeichnungen aus der Hand und die Papiere fliegen über seinen Kopf hoch in die Luft. Er kann sich nur noch ermattet auf die Zettelberge legen. Zum Schluss stellt Boysen sich vor das hell erleuchtete weiße Rechteck an der Bühnenrückwand und spricht von seinem Wunsch der Auflösung in der Musik. „Sich auflösen...“ klingt es lautsprecherverstärkt und doch zart in den Raum. Birgit Schmalmack vom 4.9.11
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