Die Unmöglichkeit der Liebe
Männer und Frauen sind wie verschieden geladene Teile. Sie ziehen sich zwar an, stoßen sich aber auch wieder ab. So ist ihr Zusammensein ein immerwährendes Gerangel um Macht, Aufmerksamkeit und Anerkennung, das immer wieder neu austariert werden will. Davon handeln die beiden Einakter, die die Hochschule für Musik und Theater jetzt in einem Studienprojekt in der Opera Stabile zur Aufführung brachte. Einmal in der Kurzoper von Philipp Glass „The Sound of a voice“. Ein Wanderer (Tim Maas) sucht bei einer einsam lebenden Frau (Amber Breunis) Unterschlupf für die Nacht. Sie möchte gerne, dass er länger bei ihr bleibt. Er versucht seinen Vorteil daraus zu ziehen. Sie behauptet sich. Er passt sich ihr ein Stück weit an. Sie gewinnt Oberhand und er versucht sich zu wehren. Die Inszenierung von Aileen Schneider findet eine wunderbar einfühlsame Entsprechung in der Musik von Glass. Sie stellte dafür einen alten VW mitten in eine mit Herbstlaub bestreute karge Landschaft. Ein wunderbares Bild für die nur vermeintliche Mobilität, denn das Auto ist sicher fahruntauglich. Die beiden Sänger deklinieren die Machtspiele in allen psychologischen Nuancen gekonnt durch. Ein Genuss und Gewinn ihnen zuzusehen- und zu hören! Die zweite Inszenierung widmet sich der Legende von Herzog Blaubart in der Vertonung von Bela Bartok. Über das Auto und die Rückwand wurde dafür nach der Pause einfach ein großes, weißes, alles verhüllendes Tuch gebreitet. Judith (Stephanie Christiano) stolpert blind in die Unterwelt von Blaubart (Stephen Barchi). Sie will ergründen. Immer weitere Schlüssel zu all seinen Räumen fordert sie vom Herzog. Immer weiter entblößt er sich vor ihr, bis er sich wie ein Kind um ihre Füße windet und an sie klammert. Auch den letzten Schlüssel für die letzte Kammer will sie unbedingt erhalten. Doch hier findet sie das Geheimnis, das auch für sie alles verändert. In der letzten Kammer hausen Blaubarts Frauen, die er einst geliebt hat. Judith kann nur noch die Flucht durch den Vordereingang der Oper auf die Straße antreten. Zuviel Wissen tötet die Liebe. Doch während die erste Arbeit hauptsächlich durch sensible Psychologie glänzte, vertraute die zweite von Stephen Barchi der Musik nicht ganz und griff oft zu großen Gesten und fiel dadurch weniger eindrucksvoll aus. Birgit Schmalmack vom 3.11.15
|