Hohe Perfektion Viel Ästhetik, technische Perfektion, ein Schuss Poetik und Dramatik gepaart mit viel Leichtigkeit und Eleganz: Das alles präsentierte das San Francisco Ballet bei seinem Gastspiel in der Hamburger Staatsoper. Aber leider auch nicht mehr. Die Musik von Johann Sebastian Bach lieferte den Leitfaden für die erste Choreographie. Helgi Tomasson entwickelt in den sieben Sätzen für seine acht Tänzer ein schön-braves, klassisches Ballett, das in konzentrierten Duetten, Trios und Quartetten die Musik auf die Bühne brachte. Das war stringent ästhetisch, aber wenig überraschend. Wesentlich dramatischer wurde es mit dem zweiten Stück: Yuri Possokhov zeigte seine Arbeit „RAkU“ zu Musik von Shinji Eshima. Er erzählte eine aufreibende Geschichte um ein Liebespaar, das durch Krieg getrennt wird. Die zarte Frau muss von ihrem Geliebten Abschied nehmen, als er mit den Soldaten in die Schlacht zieht. Eine schwarze Gestalt umweht die Szenerie von Beginn an mit einer dunklen Ahnung. Seine abgehakten Bewegungen zeugen von bösen Vorzeichen. Possokhov gelingt es, die Spannung im Zuschauerraum der Staatsoper sofort nach dem ersten Gongschlag der Musik gefangen zu nehmen. Auf einige allzu theatralische Effekte hätte er ohne Einbußen verzichten können;die Körper der Tänzer sprechen für sich. Der Zweikampf zwischen der weiß gepuderten, grazilen Frau und dem kräftigen, glatzköpfigen Geist, der sie zum Schluss mit seinem Körper buchstäblich gegen die Wand nagelt, wird zur beeindruckenden Schlüsselszene. Nach einer weiteren Pause werden zwei Arbeiten von Christopher Wheeldon gezeigt. Es beginnt meditativ zu Klaviermusik von Ligeti. In „Continuum“ verschmelzen ein Mann und eine Frau in dem eng umgrenzten Lichtviereck auf der Bühne fast zu einem Körper. Hochkonzentriert entwickeln sie in Zeitlupe ihre einigenden Bewegungen. Zum Schluss sind sie so verschlungen wie zu Beginn. Für die längere seiner beiden Arbeiten hat Wheeldon Musikstücke von Ezio Bosso und Antonio Vivaldi verbunden. Er setzt seine hochgelobte Choreographie „Within the golden hour“ in einen leicht orientalisierten Rahmen mit Pailettenkostümen und Anleihen der Bewegungsmuster aus dem indischen und arabischen Tanz für die Damen. Die Gruppenszenen sind von Heiterkeit und Leichtigkeit geprägt. Doch erst in den Pas de Deux erreicht Wheeldon den Tiefgang seiner ersten Arbeit; so innig, konzentriert und beseelt setzen die Paare die Musik in Bewegung um. Mit dieser abwechselungsreichen Dramaturgie riss Wheeldon das Publikum am Ende des Gastspiels des San Francisco Ballet in Hamburg doch noch zu Beifallsstürmen hin. Technisch konnte man keinen Makel entdecken, tänzerische Innovation erwartete man aber vergeblich. Birgit Schmalmack vom 27.6.12
|