Kein Entkommen möglich
Wir sind in der Talkshow „Wie trenne ich mich von meinem Partner?“ gelandet. Der Moderator gibt über die eingeblendeten Bildschirme Anweisungen ans Publikum, das nach Geschlechtern getrennt auf den zwei Tribünen sitzt. Beifallsbekundungen sind demzufolge nur an den dafür vorgesehener Stellen erwünscht. Auf den beiden weißen Sofas auf dem Podium spielt sich nun eine Szenenfolge ab, in deren Verlauf sich zwei Paare der Untreue bezichtigen und sich trennen wollen. Für die Vier gibt es kein Entkommen. Die Ein- und Ausgänge sind versperrt. Sie sind gezwungen sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen. „Die Komödie auf der Brücke“, eine komische Oper von Bohuslav Martinu, bedient sich traditioneller Harmonik, wenn auch Anklänge an Strawinsky hörbar sind. Das absurde Lustspiel wird in der Übertragung auf die heutige Mediengesellschaft von Heiko Hentschel zu einer sehr vergnüglichen Angelegenheit. Auch im zweiten Stück „Wir sind daheim“ gibt es kein Entrinnen. Drei Menschen werden in einem Gruselkabinett gefangen gehalten. Der existenziell-makabere Text stammt von Helmut Krausser und die Musik von Moritz Eggert. Dieser zeigt schon durch die Instrumentierung mit E-Gitarre, Keyboard und Schlagzeug zu Violine und Bratsche den Willen zur Veränderung. Er bedient zeitweise die Erwartungen an schöne Melodien sowohl aus dem Pop, Rock- oder Opernrepertoire, aber nur um sie dann lustvoll in lautem Crescendo zu brechen. Das passt hervorragend zum Inhalt. Wie eine Leichenhalle mutet der Raum an, der sich mitten zwischen den Zuschauern befindet. Zwei gemauerte Tische und ein Operationstisch lassen Schlimmes ahnen. Unter der Anleitung einer gestrengen Frau Doktor muss die Frau beide Männer für sich spielen lassen. Nur einer von ihnen wird auserwählt und darf damit weiterleben. Hentschel zeigt an diesem Abend, wie überaus spannend Operntheater sein kann. In der Intimität der Opera Stabile kann die inspirierende Musik ihre ganz besondere Wirkung entfalten und der Gruseleffekt zum Nachdenken über die Auswüchse der medialen Öffentlichkeit der des Konkurrierens um Aufmerksamkeit und Ruhm. Birgit Schmalmack vom 6.7.11
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