Tödliches Leiden am Imponiertick
Viel Gewürm krabbelt aus den Zwischenräumen des Podestes, auf dem sich Hemingway so gerne sehen würde heraus. Doch als jetzt 60Jähriger ist er eher Depression, Verfolgungsängsten und einer Schreibblockade gekennzeichnet. Daran leidet er besonders. Was kann ein Mensch noch wert sein, wenn er seine Aufgabe verloren hat? Der Griff zur Flasche wird immer häufiger. Wann wurde er ein Mann? Als Soldat, ist die Antwort, während er mit Helm und bewaffnet über die Podeste robbt. Und als Jäger natürlich. Das Erlegen von Tieren gab seinem Imponiertick jederzeit Futter. So bleibt ihm seine einzige Geliebte, seine braune Flinte, die er unter dem Gewürm hervorzieht. Er will dem Vorbild seines Vaters folgen und seinem Leben selbst ein Ende setzen. Warum soll er dafür auf die Ärzte warten? Die Flinte soll ihn ins Jenseits befördern, doch immer gibt es noch einen Aufschub. Mal klingelt das Telefon, mal muss er den Geschmack des Laufes erst abwischen, mal muss er noch die Aufzeichnungen früherer Zeiten mit dem alten Tonbandgerät wieder hören. Torsten Münchow ist ein wunderbarer Hemingway. Er lotet den mäandernden Text „Tod eines Jägers“ von Rolf Hochhuth mit seiner tiefen markanten Stimme in allen Nuancen aus. Mal gibt er den kernigen Erfolgstyp, dann den verwirrten Psychopaten, den kleinen Jungen, den zärtlichen Geliebten, den hochgradig Verzweifelten, den Lebensmüden, den Möchtegern-Macho, den liebenden Vater oder den Schreibkrisen-Geplagten. Regisseur Peter Thiers reicherte den Abend mit viel Musik an und erarbeitete mit Münchow das psychologisch feine Spiel, das alle Facetten des Jägers kurz vor seinem Freitod auslotet. Birgit Schmalmack vom 28.10.16
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Tod eines Jägers, Sprechwerk Foto: Thomas Koch
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